6 Hütten, an denen sich die Geister scheiden
Werden Berghütten neu errichtet, bietet das die Chance für innovative, manchmal sehr gewagte Bauten. Während sich die einen freuen, wenn dem verstaubten Klischee endlich etwas entgegengesetzt wird, trauern die anderen dem traditionellen Hüttenbild nach. Zurecht? Mach dir selbst ein Bild. Wir stellen dir sechs Berghäuser vor, an deren Aussehen sich die Geister scheiden.
Der Großteil der alpinen Schutzhütten im Alpenraum wurde Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut – damals als sehr einfache Unterkünfte, die die Besteigung hoher Gipfel ermöglichen sollten. Zum Bau wurden Materialien verwendet, die vor Ort vorhanden waren – also in erster Linie Holz und Stein. Hier kannst du dir die ältesten Vereinshütten der Alpen ansehen.
Um der steigenden Zahl der Gäste und strengeren Auflagen in Sachen Hygiene und Brandschutz gerecht zu werden, wurden die Hütten im Laufe der Zeit immer wieder vergrößert und saniert. Trotzdem konnten sich viele ihren ursprünglichen Charme erhalten und nähren bis heute die romantische Vorstellung einer typischen Berghütte.
Gegenwärtig sind viele Hütten an das Ende ihrer Lebensdauer gelangt, wodurch nur noch ein Neubau in Frage kommt (man spricht häufig auch von einem „Ersatzbau“). Gelegentlich wird auch ein Zubau errichtet, der das alte Gebäude mit einem modernen Bauteil verbindet. Architekturwettbewerbe spornen die Planer dazu an, besonders außergewöhnliche Ideen zu kreieren, die mit dem Bild einer traditionellen Berghütte oft kaum noch etwas zu tun haben und manche an „Raumschiffe“, „Liftstationen“ oder „Bunker“ erinnern.
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1. Monte Rosa Hütte
Die überaus futuristisch anmutende Monte Rosa Hütte des Schweizer Alpenclubs wurde 2009 anstelle der alten Steinhütte aus dem Jahr 1895 komplett neu gebaut und gilt als internationales Aushängeschild für moderne Architektur im Hochgebirge. 120 Übernachtungsgäste haben in dem fünfgeschossigen Gebäude mit polygonalem Grundriss Platz. Die Hütte ist zu 90 % energieautark und wurde nach strengsten Nachhaltigkeitskriterien gebaut. So ist es zu erklären, weshalb die Planer einen kristallinen Baukörper mit nach innen geneigten Wänden schufen - dadurch konnte die Trennung von Fassade und Dach aufgehoben und viel Fläche für Solarelemente geschaffen werden. Die auffallende Aluminiumhülle wiederum schützt das Gebäude vor der hohen UV-Strahlung und Witterung auf knapp 3.000 Meter Höhe. Gewöhnungsbedürftig bleibt sein Aussehen für viele freilich trotzdem. Dennoch oder gerade deswegen wollte die Öffentlichkeit die spektakulär inmitten des Monte-Rosa-Massivs gelegene Hütte sehen, was ihr im ersten Jahr nicht die prognostizierte Zahl von 6.500 Gästen einbrachte, sondern gleich mehr als 10.000.
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Hier könnt ihr ein ausführliches Interview mit dem Architekten der neuen Monte Rosa Hütte lesen.
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2. Seethaler-Hütte
Wer dachte, die Monte Rosa Hütte sei ein Einzelfall, irrt. In den Jahren 2017 und 2018 wurde am Dachstein auf 2.740 m die traditionsreiche Seethaler-Hütte, die aufgrund des tauenden Permafrostes in einer Doline zu versinken drohte, durch einen komplett neuen Bau wenige Meter neben dem alten Standort ersetzt. Von Anfang an musste sich der Österreichische Alpenverein viel Kritik anhören: Offen wurde die Frage in den Raum gestellt, ob der Hüttenstandort überhaupt notwendig sei, schließlich gäbe es im Umkreis mehrere andere Hütten und die Bergstation der Dachsteinseilbahn sei in nur 45 Minuten zu erreichen. Auch das Gewinnerprojekt aus dem Architekturwettbewerb blieb nicht unkommentiert, zu sehr glich die Optik der Monte Rosa Hütte. Und das ist auch richtig, wie Architekt Stephan Hoinkes zugibt, denn im Bestreben, die Fassade optimal für die Strom- und Wassergewinnung zu nutzen, würde das Äußere vieler moderner Hütten ganz ähnlich gestaltet. Obwohl technisch ebenso ausgereift wie die Schweizer Monte Rosa Hütte, ist die neue Seethaler-Hütte freilich viel kleiner – sie bietet Platz für nur 22 Übernachtungsgäste.
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3. Schwarzensteinhütte
Noch ein Neubau, der auf ein ganz ähnliches optisches und damit auch funktionales Konzept setzt: Die ebenfalls in den Jahren 2017 und 2018 neu errichtete Schwarzensteinhütte befindet sich auf 3.026 m in den Zillertaler Alpen in Südtirol. Die ursprüngliche Hütte wurde im Jahr 1893 etwas unterhalb des heutigen Standortes errichtet. Ihre bewegte Geschichte – sie wurde nach dem Ersten Weltkrieg vom italienischen Staat konfisziert und für militärische Zwecke genutzt – konnte sie vor einem Abriss aufgrund ihres schlechten baulichen Zustandes nicht bewahren. Während des Baus der kostspieligen neuen Hütte ging dann aber ein wahrer „Shitstorm“ durch die Lokalpresse, da war etwa von einer „Betonburg“ im Hochgebirge und von „zum Fenster hinaus geworfenem Geld“ die Rede. Tatsächlich besteht die Schwarzensteinhütte aber bis auf das Fundament nicht aus Beton, sondern aus mit Kupferpaneelen verkleideten Holzelementen, ist technisch durchdacht und im Inneren sehr gemütlich.
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4. Höllentalangerhütte
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Seit jeher war die Höllentalangerhütte des DAV auf 1.387 m am Fuße der Zugspitze das, was man sich unter einer typischen Berghütte vorstellt: rotes Satteldach, grüne Fensterläden, von der Sonne dunkel gefärbte Holzschindeln. Selbst eine Online-Petition konnte aber den Abriss der alten, urigen Hütte im Jahr 2013 nicht verhindern. Heute steht an ihrer Stelle eine moderne Hütte mit Flachdach, die lawinensicher in den Hang gebaut wurde. Sie bietet Platz für gut 100 Übernachtungsgäste und ist vor allem auf den Ansturm von mehr als 2.000 Tagesgästen pro Tag ausgelegt. Auch bietet die Hütte heute weit mehr Komfort: Zimmer statt Bettenlager, Duschen, 3-Gänge-Menü etc. Die Höllentalangerhütte war damit eine der ersten Hütten, die auch innerhalb des Alpenvereins die Diskussion entfachte, wieviel Luxus eine Schutzhütte bieten muss oder soll.
5. Capanna Corno Gries
„Das Alpenraumschiff“ – so steht es auf der Website der Hütte des SAC – befindet sich auf 2.338 m zwischen Nufenenpass und dem italienischen Val Formazza im Tessin. Auch „Kontrollturm“ liest man gelegentlich, denn im Jahr 2007 wurde dem traditionellen Steinbau aus dem Jahr 1927 das Dach abgeschnitten und darauf der auffällige, ausladende Zubau in Form einer umgedrehten Pyramide gesetzt, der heute Aufenthaltsraum und Küche beherbergt. Die Verglasung auf allen vier Seiten gewährt eine 360°-Panorama-Aussicht. Ob die Optik gefällt oder nicht, muss jeder für sich selbst beantworten.
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6. Neue Regensburger Hütte
Der Zubau zur Neuen Regensburger Hütte des DAV auf 2.286 m in den Stubaier Alpen in Tirol war mit besonders viel Kritik konfrontiert. Die alten Gemäuer der 1930/31 errichteten Regensburger Hütte stehen unter Denkmalschutz. Ein Abriss und Neubau der Hütte war damit nicht möglich. Ein Zubau sollte den modernen Anforderungen und dem zunehmenden Gästestrom – die Hütte liegt am Stubaier Höhenweg – gerecht werden und auch einen modernen Seminarraum beherbergen. Da der darunter liegende Gletscherschliff nicht gesprengt werden durfte, steht der mehrstöckige Zubau aus Holz auf Stelzen und ist durch eine Art Tunnel mit dem alten Haus verbunden. Die außergewöhnliche Kombination aus Neu und Alt sowie auch die Dimension des Zubaus sorgten jedenfalls für rege Diskussionen.
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