In 8 Schritten zu deinem optimalen Skitouren-Set-up
Foto: Atomic
So schön das Skitourengehen ist, so schwierig kann sich die Auswahl der richtigen Ausrüstung gestalten. Vom Ski bis zum Schuh – wir führen dich Schritt für Schritt zum perfekten Ergebnis.
Text: Claudia Timm und Riki Daurer
Das Skitourengehen erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Dementsprechend breit gefächert ist inzwischen die Auswahl in puncto Skitourenausrüstung. Ein scheinbar unüberschaubarer Dschungel zwischen DIN und TÜV, Rahmen- und Pinbindung, Powderrocker, Flex und Vorlagewinkel. Da ist es manchmal schwer den Überblick zu behalten. Und was den Skitourenkauf noch komplizierter macht? Am Ende müssen Ski, Bindung, Schuh und Felle auch noch „irgendwie“ zusammenpassen und eine sinnvolle Einheit ergeben.
Anhand der folgenden Checkliste führen wir dich Schritt für Schritt zum perfekten Skitouren-Set-up:
1. Welcher Skitourentyp bist du?
Als erstes solltest du dich fragen, welche Art von Skitouren du am liebsten gehst: Liegt der Fokus für dich mehr im Aufstieg oder bist du der ultimative Abfahrer? Bewegst du dich hauptsächlich im Gelände oder auch auf der Piste? Spielt Schnelligkeit für dich auf der Tour eine Rolle oder kommt es dir mehr auf das Erlebnis an? In welchem Gelände bewegst du dich vorrangig? Gehst du gerne auch Mehrtagestouren und hast Freude im kombinierten oder hochalpinen Gelände (Gletscher und Fels)?
Anhand dieser Fragen kannst du dich gut den folgenden Skitourentypen zuordnen:
- Skitourenrennläufer und Speed Touring: Auf dem Weg zum Gipfel zählt für dich jede Sekunde. Körperliche Fitness, maximale Motivation und eine optimierte Ausrüstung treiben dich mit Highspeed auf den Berg.
- Aufstiegsorientiertes Touring: Du liebst lange Anstiege, sucht alpine Herausforderungen oder gehst gerne auch mal eine Mehrtagestour. Ganz gleich welches Projekt du gerade am Laufen hast, eines ist sicher: es werden viele Meter gemacht.
- Klassisches Skitourengehen: Eine Skitour bedeutet für dich primär Entspannung. Du genießt Aufstieg und Abfahrt gleichermaßen und legst Wert auf ein gelungenes Gesamtpaket.
- Abfahrtsorientiertes Touring: Dein Gesicht beginnt meist erst beim Abfahren zu leuchten und beim Anblick eines weiten Powderhangs wirst du leicht nervös? Dann bist du ein typischer Abfahrts-Tourer.
- Freerider und Variantenfahrer: Epische Powderhänge, kniffelige Steilabfahrten und enge Couloirs sind deine Passion. Du bist meist mit Liftunterstützung und abseits der Pisten unterwegs. Am Weg ins Tal zählt nur Eins: Highspeed und maximale Abfahrtsperformance.
- Pistentouren: Du bist eigentlich lieber auf einer Piste unterwegs als im Gelände. Hier geht es dir mehr ums draußen sein als um Speed, daher ist dir auch eine sichere und schöne Abfahrt wichtig.
Eine noch differenziertere Betrachtungsweise findest du in diesem Artikel:
7 Skitourenarten: Von der Pistentour bis zum Skibergsteigen
2. Der optimale Ski
So, du kennst jetzt deinen Skitourentyp. Doch wie findest du nun den optimalen Ski für dich? Worauf du bei der Auswahl der Skier achten solltest:
- Die Skier beim Speed Touring sind ultraleicht, schmal und kurz und garantieren auf diese Weise Schnelligkeit, Beweglichkeit, Stabilität und Wendigkeit. Die Skier sind in der Regel um die 65 mm breit, zwischen 150 – 160 cm lang und wiegen zwischen 650 und 750 g. Bevorzugtes Material ist ein leichter Holzkern mit einer Verstärkung aus Karbon oder selten auch Titan.
- Wer Aufstiege liebt, bevorzugt ebenfalls leichte und drehfreudige Ski. In diesem Segment sorgen Tourenski mit einer Mittelbreite zwischen 70-85 mm für einen unbeschwerten Aufstieg und können auch in langen Traversen und schwierigem Gelände noch gut gehandhabt werden. Mit einem Gewicht zwischen 1.100 bis 1.300 g gehören schwere Beine der Vergangenheit an. Ein leichter Tip-Rocker sorgt auf der Abfahrt für ausreichend Auftrieb und erhöht die Drehfreudigkeit des Skis. Die Skilängen bewegen sich – je nach bevorzugtem Gelände und Spitzkehrentechnik – im Bereich Körpergröße bis -10 cm.
- Der perfekte Ski für das Allround Touring garantiert Komfort und Stabilität bei leicht erhöhtem Gewicht. Bei Mittelbreiten von 85-95 mm und einem Gewicht von 1.200 bis 1.350 g sind sowohl Aufstieg- als auch Abfahrt ein Genuss. Die Länge orientiert sich am individuellen Können und variiert zwischen Körpergröße minus 5 cm.
- Bei Abfahrtsorientierten Tourengehern sorgen Mittelbreiten zwischen 95 und 105 mm für eine optimale Abfahrtsperformance. Das Gewicht bewegt sich meist zwischen 1.300-1.400 g. Unter Einbeziehung der individuellen Vorlieben empfehlen sich Skilängen zwischen Körpergröße + 5 cm. Tip & Tail Rocker bescheren bei der Abfahrt ordentlich Auftrieb und sorgen für optimale Kontrolle.
- Freerider lieben fette Latten. Maximaler Auftrieb und Stabilität für schnelle Turns stehen hier im Vordergrund, wohingegen das Gewicht nur eine untergeordnete Rolle spielt. Die Mittelbreiten bewegen sich in diesem Segment zwischen 105 und 125 mm. Das Gewicht liegt zwischen 1.450 und 1.800 g. Ein Full Rocker oder stark ausgeprägter Tip und Tail Rocker sorgen im Gelände für reichlich Auftrieb und maximale Drehfreudigkeit. Skilängen in Körpergröße bis +10 cm sind keine Seltenheit und sorgen für Laufruhe und maximalen Auftrieb.
- Pistentouren: Konzentriert man sich nur auf schnelles Aufwärtsgehen, steht natürlich geringes Gewicht im Vordergrund – siehe Speed Touring. Will man aber auch stabil und solide bergab fahren, empfiehlt sich eine solide Sandwichbauweise. Die geeigneten Modelle sind etwas schwerer, dadurch aber auf Kunstschnee im Geradeauslauf und auch beim Kurvenfahren stabiler. Die Mittelbreite liegt zwischen 75 und 85 mm. Schuh und Bindung müssen genügend Stabilität bieten, um die entsprechende Kraftübertragung auf den Ski zu gewährleisten. Ein Skistopper ist aus Haftungsgründen und laut Fis-Regeln Pflicht.
3. Der passende Schuh
Nachdem der perfekte Ski für dich gefunden ist, suchen wir den passenden Schuh. Dieser muss nicht nur perfekt an deinen Fuß passen, sondern sollte auch auf den Einsatzzweck und den Ski abgestimmt werden. Dies ist der Punkt, auf den du bei der Auswahl deiner Skitourenausrüstung besonderes Augenmerk richten solltest. Denn nichts ist ärgerlicher als quälende Blasen und Schmerzen auf Tour. Hier lohnt es sich etwas mehr Zeit und Geld zu investieren und sich in einem Fachgeschäft ausgiebig beraten zu lassen. Eine individuelle Anpassung von Innenschuh und gegebenenfalls auch der Schale sowie anpasste Einlegesohlen erhöhen nochmal deutlich den Komfort und sorgen für zusätzliche Kontrolle.
- Speed Touring: Weniger ist mehr lautet hier das Motto. Fast futuristisch und eher wie ein Langlaufschuh muten die Tourenschuhe in diesem Segment an. Auf das absolute Minimum reduziert, garantieren sie maximale Leichtigkeit, optimale Bewegungsfreiheit und schnelle Bedienbarkeit. Dabei ist meist Karbon das Mittel der Wahl, der einzige Verschluss lässt sich mit nur einem Handgriff bedienen.
- Skitourenschuhe für Aufsteiger sind nur geringfügig schwerer als die Speed-Variante und verfügen meist über 2 Schnallen. Leichte Bedienbarkeit und hoher Gehkomfort zeichnen die Schuhe aus. Eine Schaftrotation zwischen 50 und 80° lässt den Aufstieg mühelos erscheinen und eine steigeisen- und rutschfeste Gummisohle sorgt für perfekten Grip im Eis und Fels.
- Für Allrounder empfehlen sich bequeme Schuhe mit 2-3 Schnallen, die im Aufstieg reichlich Komfort und während der Abfahrt viel Kontrolle bieten. Eine Schaftrotation von 45 bis zu 74° ermöglicht einen gemütlichen Aufstieg.
- Der Abfahrer braucht einen robusten Schuh mit perfekter Kraftübertragung und ausgewogenem Flex. 3 Schnallen sorgen auf der Abfahrt für den perfekten Halt. Ein Bewegungswinkel um die 54° lässt auch den Anstieg mühelos erscheinen.
- Freerider suchen auf der Abfahrt maximale Kontrolle und brauchen deshalb einen alpinähnlichen Schuh mit Aufstiegsmöglichkeit, wobei ein Bewegungswinkel von 45° mehr als ausreichend ist. Da man weniger geht, darf der Schuh ruhig schön eng sitzen und man braucht im Zehenbereich nicht so viel Platz. Vier Schnallen, ein progressiver Flex sowie ein hochwertiger, vorgeformter Innenschuh machen das Paket perfekt.
4. Die perfekte Bindung
Sind der optimale Ski und der passende Schuh gefunden, braucht es noch die perfekte Verbindung beider Elemente. Eine passende Bindung muss her, die mit dem gewählten Schuh kompatibel ist.
- Racer sparen auch bei der Bindung jedes Gramm. Nur noch gute 100 g bringen die reduzierten technischen Wunderwerke auf die Waage. Skibremse und verstellbare Steighilfe sucht man hier vergeblich.
- Auch für Aufstiegsorientiertes Tourengehen ist eine Pin-Bindung unverzichtbar. Das Gewicht variiert in diesem Segment stark und bewegt sich zwischen 300 bis 500 g, je nach Hersteller sind Skibremsen meist nur optional erhältlich.
- Eine Pin-Bindung für Allrounder bringt zwischen 450 und 500 g (bis zu 750 g inkl. Stopper) auf die Waage. Dafür erhält man ein deutliches Plus an Sicherheit, Stabilität und Bedienungsfreundlichkeit. Wem es auf ein paar Gramm mehr nicht ankommt, dem sei eine Hybridbindung mit Pins in der Front und einem klassischen Fersenbacken empfohlen. Auf diese Weise werden die Vorteile beider Welten vereint: Ein guter Drehpunkt und hoher Gehkomfort im Aufstieg und perfekter Fersenhalt in der Abfahrt.
- Abfahrer finden in den soeben genannten Hybridbindungen das Mittel der Wahl. Alternativ kann auch eine robuste Rahmenbindung verwendet werden.
- Beim Freeriden sorgen Rahmenbindungen für optimale Kraftübertragung und Kontrolle. Das Auslöseverhalten ähnelt einer Alpinbindung und sorgt für zusätzliche Sicherheit. Ein innovatives Konzept hat dieses Jahr die Firma Atomic vorgestellt: Die Atomic Shift ist die erste Bindung, die im Aufstieg als Pin-Bindung und in der Abfahrt als vollwertige, TÜV zertifizierte Alpinbindung verwendet werden kann.
Eine detaillierte Übersicht über die unterschiedlichen Bindungstypen und die sachgemäße Bedienung von Tech-Bindungen findest du hier:
Keine Bindungsängste: So findest du die richtige Skitourenbindung
Tech-Bindungen richtig bedienen
5. Individuelle Bedürfnisse und Skifahrerisches Können
Die vorgenannten Tipps sind natürlich nur allgemeine Empfehlungen, die es anhand deiner individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren gilt. Hattest du z. B. erst kürzlich eine Verletzung und bist auf eine gut auslösende Bindung angewiesen? Wie ist es um deine Kondition und dein Skifahrerischen Können wirklich bestellt? An dieser Stelle solltest du unbedingt prüfen, ob deine Wunschvorstellung tatsächlich mit der Realität übereinstimmt.
Weiters noch die Widerlegung einer weit verbreiteten Annahme: gerade nicht so gute Skifahrer brauchen einen stabilen Abfahrtsski, der ruhig auch etwas mehr wiegen darf. Nicht selten beobachtet man „schlechtere“ Skifahrer, die sich beim Bergabfahren verausgaben.
6. Persönliche Beratung im Fachgeschäft
Eine allgemeingültige Kaufempfehlung kann natürlich niemals eine individuelle Beratung im Fachgeschäft ersetzen. Sie ist jedoch eine gute Grundlage und sorgt im Vorfeld für das notwendige Basiswissen. Los geht´s zum Händler deiner Wahl!
7. Testen, testen und testen
Probieren geht über Studieren. Hast du deine Auswahl weitgehend eingeschränkt, hilft nur noch Eines: Testen, testen, testen… Festivals und Ski-Openings bieten dafür die perfekte Gelegenheit.
8. Fazit und ein besonderer Tipp
Leider gibt es noch immer keine „eierlegende Wollmilchsau“ und du wirst bei der Auswahl deiner Tourenausrüstung einige Entscheidungen treffen und auch ein paar Kompromisse eingehen müssen. Der technische Fortschritt was Gewicht, Sicherheit und Performance angeht, ist jedoch erstaunlich und der Einsatzbereich der Tourensets für die einzelnen Tourentypen wird immer breiter.
Eine echte Innovation und deshalb unbedingt eine Erwähnung wert ist die neue Atomic Shift Bindung. Bei einem vernünftigen Gewicht vereint die Bindung die Vorteile beider Welten. Im Aufstieg sorgen die Pins für einen perfekten Drehpunkt und optimale Aufstiegskomfort. Während der Abfahrt wird die Shift zur waschechten Freeridebindung. Dank TÜV-zertifizierter Vorder- und Hinterbacken aus dem Alpinbereich ist sie mit allen gängigen ISO-genormten Skischuhen mit Pin-Einsätzen an der Schuhspitze kompatibel. Zudem löst die Bindung sowohl beim Vorder- als auch Hinterbacken aus. Die perfekte Wahl für Allrounder, Abfahrtsorientierte Tourengehen und Freerider sowie alle, die erhöhten Wert auf Sicherheit und Performance legen.
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