„Wir räumen den Müll von damals auf“
Foto: Lukas Furtenbach/Furtenbach Adventures
von Christina Geyer
Heute ist es soweit: Das Expeditionsteam von Furtenbach Adventures setzt zum Gipfelsturm an. Die letzte Nacht hat es knapp unterhalb der sogenannten Todeszone auf 7.920 m in Camp 4 am Mount Everest verbracht. Im 3. Teil unseres Interviews sprechen wir mit Expeditionsleiter Lukas Furtenbach über Reinhold Messner, Selbstbetrug und die Berechtigung von künstlichen Hilfsmitteln.
Bergwelten: Du hast Reinhold Messner einmal für seine negativen Äußerungen zur kommerziellen Nutzung des Mount Everest kritisiert. Warum stößt du dich daran?
Lukas Furtenbach: Reinhold Messners Aussagen und Wertungen werden von den Medien und der Öffentlichkeit großteils unreflektiert übernommen. Die Rolle als alpinmoralische Instanz wurde ihm zugetragen und er hat sie eingenommen. Die kommerzielle Nutzung des Mount Everest hat durch die ersten britischen Versuche in den 1920er Jahren begonnen und erreichte mit Reinhold Messner ein neues Niveau. Letztlich lebt er davon heute noch gut. Jeder Mensch, der den Everest besteigen möchte, sollte auch die Gelegenheit haben, sich diesen Traum zu erfüllen. Wie er das macht, ob mit Sauerstoff oder ohne, sollte ihm überlassen sein.
„Der Begriff Fair Means ist dehnbar, willkürlich und subjektiv.“
Gibt es für dich keine Unterschiede im Stil der Besteigung?
Ich tue mir schwer mit dem Gedanken, dass irgendjemand in Südtirol sitzt und die Besteigung eines ihm wildfremden Menschen öffentlich schlechtredet und als Betrug bezeichnet – bloß weil sie nicht seinen eigenen Maßstäben genügt. Der Begriff „Fair Means" ist dehnbar, willkürlich und subjektiv. Messner definiert ihn für sich durch den Verzicht auf künstlichen Sauerstoff, nach seiner Teilnahme an der Everest Expedition 1978 dann auch durch den Verzicht auf Fixseile und Unterstützung durch Hochträger. Die Anreise per Flugzeug oder Helikopter und die Verwendung sonstiger technischer Hilfsmitteln sind für ihn aber legitim.
Willkürlich ist auch immer wieder der Startpunkt, also die Frage, ab welchem Punkt und welcher Höhe die Besteigung aus eigener Kraft erfolgen muss, damit sie „zählt“. Für den einen beginnt der Everest etwa im tibetischen „Chinese Fahrerlager“ auf 5.500m (Reinhold Messner), für den anderen in Schweden auf Meereshöhe (Göran Kropp kam mit dem Fahrrad aus Schweden und fuhr damit auch wieder zurück). Man sieht: ein gar nicht so einfaches Thema.
„Wir bösen kommerziellen Veranstalter von Heute, wir räumen den Müll von damals auf.“
Ist der Gipfelsieg unter Nutzung von Fixseilen, künstlichem Sauerstoff und Höhenträgern „Selbstbetrug“, wie Messner einmal behauptet hat? Wenn nein: Warum nicht?
Als Messner und Habeler 1978 den Everest-Gipfel als erste Menschen ohne Nutzung von künstlichem Sauerstoff erreicht haben, waren sie auf einer von Sherpas präparierten Route unterwegs. 24 Sherpas haben damals hunderte Meter Fixseil installiert, etliche Aluleitern im Eisbruch und fünf Hochlager mit Zelten, Kochern und Essen eingerichtet. Damals war es nicht anders als heute. Nur eine Sache hat sich geändert: Heute wird der Müll der Expedition nicht mehr zurückgelassen. Wir „bösen“ kommerziellen Veranstalter von Heute, wir räumen den Müll von damals auf. Das ist aber auch schon der einzige Unterschied zu 1978.
Teil 4 des Interviews: Ein Hauch von Selbstverantwortung, Wildnis und Freiheit
Im letzten Teil unseres Interviews erzählt Lukas Furtenbach vom Verlauf seiner Expedition auf den Everest, prognostiziert die Trends des Höhenbergsteigens und verrät, warum es Zeit wird, sich von der „Friss oder Stirb“-Mentalität zu verabschieden.
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