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Roman Dirnböck: „Ich habe keinen einzigen Tag bereut“

5 Min.

18.12.2020

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Roman Dirnböck, 53, ist seit über 30 Jahren als Bergführer tätig und bezeichnet sich selbst als „bergsüchtig“. Mit Kletterschuhen, Seil und Steigeisen hat der gebürtige Niederösterreicher den halben Globus bereist und ist mit seinen Gästen auf alle 82 Viertausender der Alpen gestiegen.

Bergwelten: Lieber Roman, warum eigentlich Bergführer?

Nach Abschluss des Wirtschaftsstudiums begann ich als Hochbauingenieur zu arbeiten und habe schnell bemerkt, dass dies nicht mein Lebensweg ist. Ich war immer begeisterter Fels- und Eiskletterer sowie Skitourengeher, also habe ich mich für die Aufnahmeprüfung zum Bergführer angemeldet und sie auf Anhieb geschafft. Im Zuge des ersten Ausbildungskurses wurde dann klar: Das ist genau das, wonach ich gesucht habe. Das ist nun fast 30 Jahre her und ich habe seitdem keinen einzigen Tag des Führens in den Bergen bereut. Bergführer zu sein ist vielmehr eine Berufung als ein Beruf.

Was macht denn deine „Berufung“ so faszinierend?

Es gibt viele Gründe, die für meine Begeisterung sprechen. Der wichtigste wohl der offensichtlichste: Ich habe meine persönliche Freiheit behalten können. Beispielsweise hatte ich das Glück alle 82 Gipfel der 4000er-Berge in den Alpen als Bergführer zu besteigen. Zusätzlich hat mich mein Beruf als Bergführer und Expeditionsleiter einmal rund um die Welt geschickt: ich durfte in fremde Kulturen eintauchen, neue Länder entdecken und ferne Gipfel besteigen. Ich denke das spricht schon für sich.

Der zweite und viel wichtigere Grund, warum ich meinen Beruf nicht eintauschen wollen würde, ist die Freude und Dankbarkeit eines Gastes zu spüren, wenn der Pulverschnee staubt, man einen Gipfel im Sonnenaufgang erreicht, oder man einfach nur die Ruhe der Berge gemeinsam genießt. Das ist der eigentliche Lohn des Bergführers.

Apropos Gäste: Welche Berge besteigst du am liebsten mit deinen Gästen und warum?

Die 3- und 4000er der Ost- und Westalpen im Sommer und Winter, das sind genau meine Berge. Dort oben spürt man die Natur einfach viel intensiver. Die emotionale Begeisterung der Gäste ist auf diesen Bergen auch weit stärker zu spüren als auf einem 2.000er. Allerdings sind auch die Herausforderungen an Touren in dieser Höhe weit größer: Von der ersten Planung bis zum sicheren Abstieg. Wenn mir der Berg oder die Route dann auch noch unbekannt ist, steigt der Reiz und macht mir die ganze Sache doppelt soviel Spaß.

Im Grunde ist es aber die Abwechslung, die mir besonders große Freude bereitet. Ich bin viel beim Freeriden, führe die eine- oder andere Eisklettertour und 4 Wochen im Jahr arbeite ich als Ausbilder für die Bergrettung in Niederösterreich. Dazwischen genieße ich mit meiner „Hamburger Kletterfamilie“ die Routen in Sardinien, Korsika, Kroatien, Griechenland oder doch irgendwo in den Alpen. Und alle paar Jahre zieht es mich wirklich in die Ferne und ich leite eine Expedition mit Privatgästen zu einem lohnenden Ziel weg vom Mainstream.

Verrätst du uns dann auch deinen persönlicher Lieblingsberg und deine drei schönsten Tourentipps aus den heimatlichen Bergen?

Einen richtigen Lieblingsberg habe ich nicht, es gibt so viele schöne Berge, allen voran natürlich der Großglockner oder das Weisshorn in den Walliser Alpen. Gerne aber auch weiter weg, dann wäre das der 5.947 m hohe Alpamayo in Peru oder die 6.814 m hohe Ama Dablam im Himalaya. Zur Auswahl der schönsten Touren muss ich sagen, dass ich hier in Kaprun mit einem Paradies an unterschiedlichen Touren aller Disziplinen lebe:  Ob Einsteiger oder Profi, jeder kann sich in allen Spielarten des Bergsteigens austoben.

Im Winter gilt mein Tipp dem „Stubacher Sonnblick“ (3.088 m) als Tagestour vom Weissee-Gletscherskigebiet mit einer knapp 1.000 Höhenmeter langen Pulverschneeabfahrt in die Schneiderau.

Als sommerliche Hochtour ist die „Glocknerwand-Überschreitung zum Großglockner“ ein echtes Juwel in den Ostalpen, dass man sich aber hart verdienen muss.

Als E-bike- oder hike & climb-Tour empfehle ich von Pürzelbach bei Lofer auf den „Großen Hundstod“ (2.593 m) über den genüsslichen SW-Grat (IV) aufzusteigen.

Und wie sieht so ein typischer Arbeitstag in deinem paradisischen Leben als Bergführer aus?

Am Vortag lege ich die Tourenplanung anhand der aktuellen Infos rund um das Wetter, den Lawinenlagebericht und die allgemeinen Verhältnisse am Berg zurecht. Während dem Frühstück informiere ich dann meine Gäste, danach geht es auch schon los und hinaus in die Natur. Egal ob Sommer oder Winter, in meinem Beruf gilt es dem Risikomanagement immer höchste Aufmerksamkeit zu widmen. Zugleich ist es meine Aufgabe mich in den Gast oder die Gruppe hineinzufühlen, um das richtige Tempo sowie adäquate Pausenplätze zu finden. Sind wir in anspruchsvollem Gelände unterwegs und die Sicherung durch das Seil wird erfordert, dann ist es wichtig ruhige und präzise Anweisungen zu geben, um den Gästen ein „sicheres Gefühl“ zu vermitteln. Je öfter man gemeinsam unterwegs ist, desto runder läuft die Tour und das verstärkt das Gesamterlebnis zusätzlich. Trotzdem trage ich als Bergführer immer die Hauptverantwortung und treffe die Entscheidungen, um alle sicher durch den Tag zu bringen. Zurück im Tal lassen wir dann bei Kaffee und Kuchen den gelungenen Tag ausklingen und schmieden schon wieder Pläne für den nächsten Tag.

Was war dein skurrilstes Erlebnis mit Gästen am Berg?

Da gibt es einige…Ein Beispiel wäre: bei einem Schitourenkurs im Rahmen der Ausbildungswoche erreichten wir bei etwas windigem Wetter den Gipfel. Ein Gast fragte, ob wir die Felle noch benötigen, ich verneinte. Er warf die Felle in die Luft und weg waren sie. Seitdem bin ich mit meinen Aussagen vorsichtiger geworden, jetzt heißt es: „Heute wahrscheinlich nicht mehr…“.

Was sind die Sonnen- und Schattenseiten des Berufes als Bergführer?

So viele unterschiedliche, interessante Menschen kennen zu lernen und mit ihnen besondere Erlebnisse zu teilen und das noch dazu im „Büro Natur“ gehört sicherlich zu den Sonnenseiten.

Wenn man das Führen in den Bergen hauptberuflich ausübt, so wie ich, dann kann es manchmal schwierig sein, das Familienleben mit dem ständigen Unterwegssein unter einen Hut zu bringen. Der Kontakt zu Freunden leidet während der Hauptsaison sicherlich auch und hinzu kommen Unfälle: Leider sind auch einige Kollegen und Freunde von mir am Berg umgekommen.

Sollten die Sonnenseiten einmal nicht mehr so überwiegen, dann wird es vermutlich Zeit für mich, sich etwas Neues zu überlegen. Doch ich hoffe dazu wird es in diesem Leben nicht mehr kommen.

Das heißt dein Beruf ist mit Freundschaften, Familie bzw. Partner schwer vereinbar?

Es ist sicherlich einfacher, wenn man ihn nur nebenberuflich ausübt. Als hauptberuflicher Bergführer ist man doch viel unterwegs und es ist ein schmaler, brüchiger Grat, auf dem man balanciert, zwischen der Arbeit und den privaten Kletterzielen auf der einen Seite sowie dem Partner, den Kindern und Freunden auf der anderen Seite. Das Gleichgewicht ist entscheidend und es sind schon viele gestolpert. Wenn ich es bis zum Ende meines Berufslebens schaffe, verrate ich euch wie’s funktioniert.

Wieviel Zeit verbringst du auf nicht-berufliche Art und Weise in den Bergen.

Ich würde sagen ein Viertel des Jahres bin ich meist mit meiner Frau Karin, und Freunden klettern, auf Skitour oder auf Kurztrips unterwegs. Manchmal begleiten mich auch meine Kinder in die Berge, was mich immer besonders freut. Einmal jährlich sind Karin und ich 3-6 Wochen zum Klettern und Bergsteigen meist außerhalb Europas unterwegs. So war ich, in den letzten paar Jahren im Oman und Iran, in Jordanien oder Namibia - Botswana, Neuseeland und Peru unterwegs.

Wie siehst du die Zukunft der Bergführer?

Durchwegs positiv. Bergsteigen boomt und das in allen Bereichen. Jedoch trägt der Klimawandel in den Bergen dazu bei, dass es immer schwieriger wird eine Tour zu planen und durchzuführen, auch da wird in Zukunft eine professionelle Herangehensweise stärker gefragt sein. Außerdem wird unser Betätigungsfeld immer breiter, viele Kollegen arbeiten als Gutachter, Sicherheitsbeauftragte, Höhenarbeiter, beim Klettersteigbau, usw. Die Möglichkeiten sind zahlreich, wenn man sie nutzt.