So entstand „Berge unter Sternen“
Foto: Maren Krings
Wie fühlen sich Berge unter Sternen an? Niemand weiß das wohl besser als Dr. Norbert Span und Bernd Willinger, die für ihr atemberaubendes Buch „Berge unter Sternen“ rund 300 Nächte am Berg verbrachten. Fotografin Maren Krings hat sie am Hintertuxer Gletscher in Tirol für eine Nacht begleitet.
Text und Fotos: Maren Krings
300 Nächte haben Dr. Norbert Span und Bernd Willinger am Berg unter dem Himmelszelt verbracht. Allerdings nicht in erster Linie um mit den Elementen auf Tuchfühlung zu gehen, sondern aus Leidenschaft für die Sternbilder und Fotografie. Dass sie dazu ein Notbiwak in Form eines Zeltes dabei haben, erklärt sich fast von selbst – doch es ist mehr als Schutz für die Kameraausrüstung gedacht und wird seltener für eine kleine Schlafpause der beiden Fotografen genutzt. Auch wenn beide hinter der Kamera Profis sind, arbeitet nur Bernd Willinger seit 2008 professionell als Fotograf. Norbert Span ist als Glaziologe tätig und hat dazu noch Meteorologie und Astronomie studiert, was seine Faszination für die Sterne erklärt.
Beide sind so etwas wie ein Dream-Team am Berg. Kennengelernt haben sich die beiden Männer durch ihre Frauen. Welch großes Glück, denn genau vor sechs Jahren führte sie das Ereignis einer partiellen Sonnenfinsternis zusammen auf den Berg. Aus dieser Nacht brachten beide spektakuläre Bilder mit nach Hause und noch etwas: ein Feuer war entfacht. Seither wird jede freie Minute neben der Arbeit mit Bergtouren verbracht, von denen aus ein besonders guter Blick auf Täler, Bergpanoramen und Sternkonstellationen am Himmel vorhanden ist. Wann? Immer nachts!
Unlängst haben die beiden im Knesebeck Verlag ihr neues Buch „Berge unter Sternen“ veröffentlicht. Wenn man durch das Buch blättert und von einem Wow-Moment in den nächsten wechselt fragt man sich, wie es möglich ist, solch faszinierende Bilder aufzunehmen. Ein Blick hinter die Kulissen ihrer Arbeit gab es für mich am Hintertuxer Gletscher im Tuxertal-Zillertal. Der Olperer mit seinen 3.476 Metern Höhe ist das Wahrzeichen des Gletscherskigebiets. Gemeinsam brachen wir nach Liftschluss zum Fuße des Großen Kaserers auf. Norbert und Bernd suchten nach einer Perspektive auf den Olperer, die nicht so bekannt ist. Eine fantastische goldene Stunde verbringen wir davor noch an der „Gefrorenen Wand“, die mit ihrem ohnehin gelb-braunen Fels wie ein Verstärker der Farben zu dieser Tageszeit wirkt. Bedingt durch die langjährige Zusammenarbeit mit dem Hintertuxer Gletscher hat Norbert Span ein gutes Verhältnis zu der Gletscherbahn und wir bekommen eine außergewöhnliche Shuttlefahrt zum Kaserer, auf die gegenüberliegende Gletscherseite, mit einer Pistenraupe.
Eine Foto-Nacht am Berg
Dort setzt bereits die Dämmerung ein. Der wundervolle Sonnenuntergang legt sich über Schnee und Eis am Gletscher, der Erdschatten zieht sich hinter der Kulisse des Tuxertals und alle Zeichen deuten auf eine angenehme Nacht am Hintertuxer Gletscher hin. Norbert trägt bereits sein Markenzeichen, den Ferrari-roten Overall, den er von einem Freund nach einer Expedition geschenkt bekommen hat. Die richtige Ausrüstung ist das A und O einer solchen Unternehmung. Warme und taugliche Kleider, die einen vor Wind, Kälte und Nässe schützen, sind ein Muss bei einer nächtlichen Bergtour. Das Fotografieren beinhaltet langes bewegungsloses Herumstehen und Warten auf den richtigen Moment. Nachdem die Sonne verschwunden ist und auch der Erdschatten sich im Dunkel aufgelöst hat, kommt ein kurzes Warten. Mit der Dunkelheit werden die ersten Sterne am Himmelszelt sichtbar. Ab 20 Uhr kommt wieder Bewegung in die fotografische Arbeit, die Sterne ziehen recht flott über den Himmel und es lohnt sich diesen zu fotografieren bevor es komplett stockdunkel wird, denn dann ist es sehr schwer einen richtigen Fokuspunkt zu finden.
Arbeiten mehrere Fotografen zusammen am Berg und in der Nacht, dann gilt es gut miteinander zu kommunizieren. Plötzliches Licht einer Taschenlampe kann die Belichtung des anderen Fotografen genauso boykottieren, wie das Hineinlaufen in eine Langzeitbelichtung, durch Umstellen des Stativs. Es wird gerade nicht viel geredet, jeder weiß was zu tun ist und wonach er am Himmel sucht. Das einzige wahrnehmbare Geräusch in der Nacht ist neben dem entfernten Brummen der Pistenraupen, das Öffnen und Schließen der Blenden unserer Kameras. Gelegentlich geraten Bernd und Norbert in Ekstase über das helle Zodiakallicht, welches sich über dem Brenner erhebt. Nur dann werden inflationär viele Worte verwendet, um dieser faszinierenden Erscheinung zu huldigen.
Ach… und ich glaube ich habe da ein weiteres Geräusch gehört, welches ich trotz Dunkelheit identifizieren kann: es war eine, mit dem Feuerzeug geöffnete Bierflasche, vielleicht auch zwei. „Zu zweit ist man einfach nicht ganz allein“, erklärt mir Norbert, während ich aus dem Dunkel der Nacht das Lachen von Bernd über diese Aussage vernehme. „Ich weiß es hört sich etwas blöd an, aber es ist wirklich so, wenn du die ganze Nacht hinter deinem Stativ und der Kamera stehst, es kalt ist und man müde wird, da ist es fein, wenn man einen guten Freund neben sich hat, mit dem man Witze machen kann, um wach und bei Laune zu bleiben.“
Ich muss der etwas kuriosen Aussage absolut recht geben, Nächte alleine am Berg sind eine tiefe Prüfung der menschlichen Psyche. Es ist wie eine Schock-Erdung, alleine unter der riesigen Weite des Himmels zu stehen und plötzlich diese Urkraft des Planeten zu sehen und zu spüren! Wie klein und vergänglich man sich da plötzlich fühlt kann nur nachempfinden, wer es einmal erlebt hat. Zu zweit alleine, oder allein zu zweit bilden Bernd und Norbert ein Duo, welches geschafft hat, diese immense Stimmung in Bilder zu fesseln und diese in ihrem Buch nun einer interessierten Leserschaft zu präsentieren.
Buch-Tipp: Bernd Willinger, Norbert Span: Berge und Sterne, Knesebeck Verlag, 29,95 €.
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