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Firn und Feuer: Skitouren auf den Vulkanen Chiles

Reise

4 Min.

07.02.2022

Foto: Gerald Valentin

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von Gerald Valentin

Unter Insidern kursiert ein hartnäckiges Gerücht: Den besten Firn auf Gottes Erden gibt es auf den chilenischen Vulkanen. Gerald Valentin ist nach Südamerika gereist, um ihm auf die Spur zu kommen. Und schaffte beinahe sieben Berge auf einen Streich.

Schon der Flug von Santiago de Chile nach Puerto Montt erlaubt einen ersten Blick auf  die Touren der nächsten Tage. Unter uns reiht sich wie am Spalier ein schneebedeckter Vulkan an den anderen. Mindestens genauso beeindruckend wie ihr Anblick ist die Entstehungsgeschichte dieser Berge. Sie entstanden durch den Frontalzusammenstoß zweier tektonischer Platten. Motor ist die pazifische Nazca-Scholle, die seit vielen Millionen Jahren mit einer Geschwindigkeit von rund 1 cm pro Monat ungebremst den südamerikanischen Kontinent rammt.

Die Suche nach dem besten Firn auf Erden starten wir in der Region Los Lagos. Unser erstes Testobjekt: Osorno – ein Vulkan wie aus dem Bilderbuch, dessen glänzender Gipfel aus der üppig grünen Landschaft in das Blau des Himmels ragt. Wir übernachten im Hotel, am Morgen erfolgt die Auffahrt zum Skiresort, das – wie in Chile üblich – bis Mitte September in Betrieb ist. Mit den Fellen geht es dann der Geometrie eines Vulkanes folgend anfangs gemütlich, dann immer steiler nach oben. 35 bis 40 Grad Hangneigung sind – zumindest unterhalb des Gipfels – keine Seltenheit und erfordern bei hartem Schnee Pickel und Steigeisen. Doch der 2.662 m hohe Osorno hat noch weitere Herausforderungen zu bieten – dazu gehören der spaltenreiche Eispanzer sowie das unsichere Wetter.

Etwas weniger alpin, in seiner Form aber ähnlich makellos, präsentiert sich der Villarrica, dessen rauchende Spitze sich 2.857 m über den Pazifik erhebt. Die vulkanische Aktivität des Berges produziert aber nicht nur beißende Dämpfe. Vom Kraterrand eröffnet sich ein furchteinflößender Blick in den Höllenschlund, an dessen Grund rotes Magma brodelt. Wir bevorzugen den Himmel und wählen die andere Seite des Berges, wo der Villarrica, wie zuvor der Osorn, bei der Abfahrt zu begeistern weiß. Jenseits des harten Steilhangs unterhalb vom Gipfel lässt der Firn keine Wünsche offen und zeigt sich über einen Höhenunterschied von 1.500 Meter in gleichbleibender Konsistenz. Purer Genuss!


Zwischen Krater und Käsekuchen

Ein Kulturschock will sich im Kleinen Süden von Chile – auch Chilenische Schweiz genannt – bei uns nicht einstellen. Zu sehr erinnern Häuser und Vegetation an Mitteleuropa. Aufschriften wie „Kunstmann Bier“ oder „Cafe y Kuchen“ wecken sogar ein klein wenig Heimatgefühle. Carolina – sichtlich stolz über ihren „Cheese-Kuchen“ und Löskaffee – erzählt uns in gebrochenem Deutsch von ihrem Ur-Urgroßvater, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Bayern kommend nach Chile ausgewandert ist. Heute besitzt ihre Familie eine kleine Rinderzucht, etwas Wald und ein paar Cabañas – Ferienhütten, die rund um die Seen der Region zuhauf zu finden sind. Den Gipfel des Osornos zu besteigen – noch dazu mit Skiern – , das ist bei allen Alpenbezügen dann aber doch nicht ihr Ding.

Der sanfte, 2.422 m hohe Mocho ist unser „Erholungsprogramm“ für den dritten Tag. Auch hier sind wir vom Firn begeistert. Da sich der zuletzt 1936 ausgebrochene Vulkan im Privatbesitz befindet, darf er nur in Begleitung eines Führers bestiegen werden – und der will natürlich entlohnt werden. Die moderate Gebühr wird mit Handschlag besiegelt, jedoch an die Bedingung geknüpft, dass der etwas „festere“ Begleiter das Tempo unserer flotten Gruppe nicht aufhalten darf. Der Hochmut verfliegt, als wir uns die Ski anschnallen, während sich der Guide auf seinen Motorschlitten schwingt und Richtung Gipfel düst.

Der mächtige und formschöne Llaima (3.125 m) lockt als nächstes Ziel. Und um es vorwegzunehmen: Auch er besteht den Firntest mit Bravour. Wir sind vom aussichtsreichen Anstieg begeistert – wobei der steile Gipfelhang mit einer bislang unbekannten Gefahrenquelle überrascht: Hohlräume unter der Schneedecke, die durch warme Gase ausgeschmolzen worden sind. Die hohe vulkanische Aktivität des Gebietes beschert aber auch Annehmlichkeiten: Was gibt es schließlich Schöneres, als sich nach der Tour – so wie wir in der Therme von Lonquimay – im Thermalwasser treiben zu lassen?


Chilenische Firnträume

Nach der Regeneration steht jener Vulkan auf dem Programm, der unserer Therme ihren Namen gab. Die Schneedecke am 2.865 m hohen Lonquimay präsentiert sich in der Früh pickelhart und nach zwei Stunden gibt es ohne Harscheisen kein Weiterkommen mehr. Für die Abfahrt weichen wir von der kalten Südseite auf die Ostflanke des Vulkanes aus und finden genau was wir suchten: Weite Hänge mit weichem Butterfirn. Die Abfahrt endet, wo der Wald aus Araukanien beginnt.

Die Araukanie steht als Symbol für die indigene Urbevölkerung der Mapuche. Beide haben keinen leichten Stand. Die Araukanien fallen dem Profitstreben ausländischer Forstunternehmen zum Opfer. Das stolze Volk der Mapuche wird auf kleine Flächen zurückgedrängt und leidet unter staatlicher Repression. Den Widerstand haben sie jedoch nicht aufgegeben und viele Riten und Bräuche beibehalten. Die indigenen Männer sind am bunten Poncho zu erkennen, die Frauen tragen ein schwarzes Tuch um den Körper gewickelt und eine reich verzierte Schärpe.


Zum Abschluss schwarze Asche

Der 2.985 m hohe Antuco – der wie die anderen hohen Vulkane für die Urbevölkerung sehr bedeutsam ist – kann es in Sachen Schneequalität mit seinen südlichen Nachbarn aufnehmen. Unsere Gesichter sind ob der herrlichen Touren mittlerweile zu einen Dauergrinsen gefroren. Gut gelaunt fahren wir weiter nach Norden – zu unserem siebenten Streich. Der Chillan soll den Abschluss unserer Erkundungsreise darstellen.

Die Überraschung ist groß, als wir am nächsten Tag aus dem Hotelfenster blicken. Das gesamte Tal ist ohne Schnee und sogar am 3.186 m hohen Gipfel ist nur schwarze Asche zu erkennen. „Sieben auf einem Streich“ werden es somit nicht ganz werden – doch anstatt uns zu bedauern, fahren wir Richtung Santiago weiter. Dort werden wir nach dem Firn nun den chilenischen Wein auf seine Güte testen – doch das ist eine andere Geschichte.

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Infos und Adressen: Kleiner Süden, Chile

  • Beste Jahreszeit: Anfang September bis Mitte Oktober.
  • Anreise: Mehrere europäische Linien bieten einen Flug nach Santiago de Chile an. Das Inland bedienen Sky und Latam und sind für Ausländer am leichtesten über international Buchungsportale (z.B. www.opodo.de) zu reservieren.
  • Mietauto: Empfehlenswert ist ein Allrad-Fahrzeug, dass am Flughafen von Puerto-Montt ausgeliehen und in Santiago de Chile (oder umgekehrt) zurückgegeben wird (z.B. www.alamo.com, www.hertz.com).
  • Unterkunft: Die Auswahl an Hotels oder Ferienhütten ist reichhaltig. Wer sein Programm flexibel gestalten möchte, kann auch kurzfristig buchen (z.B. www.booking.com).
  • Literatur:Chile - Argentina, Handbook of Ski Mountaineering in the Andes”, Frederic Lena, Laure Heigeas, Belupress 2007.

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