Intag Valley – Unterwegs in den Bergnebelwäldern Ecuadors
Martin Jordan, Fotograf aus Wien, erkundete ein kleines, unscheinbares Tal mitten in den Anden Ecuadors. Die unglaubliche Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten blieb nicht die einzige Überraschung auf seinen Wanderungen.
Bericht: Martin Jordan
Bisher habe ich von Ecuador vor allem eines gesehen: Vulkane und raue, karge Landschaften. Von der Hauptstadt Quito aus mache ich mich auf in Richtung Norden und bin jetzt dem Bus unterwegs. Mein Ziel ist ein kleines Tal in den ecuadorianischen Anden, das Intag-Tal. Es ist für seine Artenvielfalt und Ursprünglichkeit bekannt – das hat mein Interesse geweckt.
Der Weg ins Intag-Tal ist spektakulär, es geht von gut 3.000 m Seehöhe auf unzähligen Serpentinen runter auf ca. 1.400 Meter. Am liebsten hätte ich den Busfahrer gebeten, alle 100 Meter einen Fotostopp für mich einzulegen – aber einfach nur dasitzen und den Ausblick auf das Tal gennießen ist auch nicht die schlechteste Option.
Es wird immer wärmer und die Vegetation üppiger. Nach eher kalten Tagen auf den Vulkanen von Otavalo spüre ich endlich wieder Mal Wärme auf meiner Haut. Als ich tief im Tal an meiner Unterkunft ankomme, erwartet mich eine Überraschung. Anstatt meines gebuchten Einzelzimmers bekomme ich gleich meine eigene, liebevoll eingerichtete Hütte. Auf der kleinen Veranda ist eine Hängematte für mich aufgespannt. Vor den Wanderungen in den nächsten Tagen kann ich hier wunderbar meine Seele baumeln lassen.
Das Hotel ist wirklich großartig, gelegen mitten im engen Tal und gleich neben dem reißenden Intag-Fluss. Die tosende Geräuschkulisse wirkt beruhigend. Hinter dem Haus wachsen Avocados auf den Bäumen und bunte Kolibris zischen durch die Gegend. Gleich daneben steigt eine steile Bergwand senkrecht nach oben. Bei Erdbeben, die hier nicht selten vorkommen, wie mir die argentinische Besitzerin des Hotels erzählt, erspäht man manchmal runterdonnernde Gesteinsbrocken und umknickende Bäume. So genau wollte ich das gar nicht wissen.
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Kampf um die Biodiversität
Obwohl Ecuador für südamerikanische Verhältnisse sehr klein ist, zählt es zu den Ländern mit der weltweit höchsten Biodiversität. Diese ist aufgrund des Klimawandels, des Bergbaus, und der großflächigen Abholzung des Waldes zur Gewinnung von Ackerland auch hier stark bedroht. Als Reaktion darauf haben es sich die Bauern und Communitys im Intag Valley zum Ziel gesetzt, seine Artenvielfalt zu bewahren und zu verteidigen. Der Schutz von seltenen Tierarten und Pflanzen wird hier großgeschrieben. Als vor Jahren ausländische Bergbau-Gesellschaften eine Mine im Tal eröffnen wollen, kam es immer wieder zu Zusammenstößen mit der einheimischen Bevölkerung. In der Zeit, in der ich dort bin, bleibt es aber sehr ruhig.
Die gut 15.000 Einwohner des Tales leben hauptsächlich von Landwirtschaft. Sie versorgen sich zum Großteil selbst. Exportiert werden lediglich wenige landschaftliche Erzeugnisse. In meinem Hotel bekomme ich den Kaffee zu trinken, der nur wenige Kilometer entfernt geerntet und geröstet wird. Das ist schon ein besonderer Genuss.
In den letzten Jahren begann sich auch der Individualtourismus als Einnahmequelle zu etablieren. Während der fünf Tage, die ich im Tal verbringe, treffe ich jedoch nur eine Handvoll anderer ausländischer Touristen. Am Wochenende ist generell etwas mehr los – da dient das Tal scheinbar als warmer Rückzugsort für einheimische Familien aus den höhergelegenen Städten wie Quito.
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Wanderkarten gibt es hier nicht, geschweige denn markierte Wanderwege. Die sehr bemühte Besitzerin meiner Unterkunft zeichnet mir die möglichen Routen detailliert auf ein Blatt Papier. Im Endeffekt starten alle Wanderung direkt von der Hauptstraße, die durch das Tal führt. Ein möglicher Ausgangspunkt sind die Thermalquellen von Nangulvi. Von dort aus lassen sich die Bergflanken im Osten gut besteigen. Die Flanken im Westen sind steiler und lassen sich vom Ort Apuela aus gut erkunden. Zum Aussichtspunkt Gualiman mit wunderschönem Ausblick übers Tal braucht man von dort aus ca. 4 Stunden.
Wanderpartner mit kalter Schnauze
Meine Wanderungen in der Umgebung sind aufregend, abenteuerlich und kosten mich einiges an Überwindung. Ich bin leider kein großer Freund von Hunden. Noch weniger kann ich mich mit den unentspannten Hunden hier in Südamerika anfreunden. Nicht nur einmal musste ich mich auf den bisherigen Ausflügen in Ecuador gegen die zähnefletschenden Vierbeiner verteidigen. Als ich mich nun zu einer Wanderung zu einem kleinen Wasserfall aufmache, werde ich von meiner Gastgeberin schon vorgewarnt, dass mich beim Durchqueren des Nachbars-Grundstücks auch dessen Hunde begleiten würden.
So kommt es auch. Ich werde sehr „euphorisch‘“ – mit fletschenden Zähnen – von gleich fünf Hunden empfangen. Angst! Die Nachbarin vom angrenzenden Hof ist aber Gott sei Dank vor Ort und es gelingt ihr die Hunde sehr schnell zu beruhigen. Sie würden sich doch nur auf die bevorstehende Wanderung mit mir freuen. Und tatsächlich schickt sie mich mit den Hunden, meinen neuen Companieros, auf den Weg. Sie gehen mir immer ein Stück voraus. Wenn ich eine Pause mache, legen sie sich entspannt neben mich und warten, bis ich mich wieder auf den Weg mache.
Meine Begleiter sollten sich schnell als sehr nützlich herausstellen. Während ich die Bergwände hochwandere, komme ich immer wieder an abgelegenen Höfen und Häusern vorbei, die natürlich jeweils wieder von anderen Hunden bewacht und verteidigt werden. Meine Gefährten drängen diese aber wild bellend zurück, sodass ich die Höfe entspannt passieren kann. Großartig so ein Begleitschutz.
Nach meinen zuletzt absolvierten Wanderungen auf den Vulkanen auf über 3.000 m fühlen sich die Touren hier vergleichsweise sehr einfach an, obwohl ich ordentlich Höhenmeter mache und auch immer wieder über Stunden unterwegs bin. In einer großartigen, immergrünen Landschaft. Neben den Wanderwegen wachsen Bananen, Mangos, Papayas und immer wieder höre ich das laute Surren der schnellen Flügelschläge der Kolibris und anderer farbenprächtiger Vögel, die durch die Luft huschen. Es ist ein kleines Paradies auf Erden.
Steile, teilweise dicht bewachsene Berghänge prägen die Landschaft. Morgens und abends zieht Nebel durch die Wälder und die Bergrücken. Im Tal tost unermüdlich der Intag-Fluss. Auf schmalen Pfaden erreiche ich verschiedene, wunderschöne Wasserfälle und Thermalquellen. Mit den Hunden des Tales habe ich mich mittlerweile angefreundet.
Am Markt
Fixpunkt des sozialen Lebens hier im Tal ist der Sonntags-Markt in der kleinen Stadt Apuela. Hier werden Lebensmittel und Waren gekauft und verkauft. Man trifft sich und tauscht sich aus. Ich begleite den Koch meines Hotels – auf dem Markt erledigt er den Einkauf für die ganze Woche. Ich folge dem Treiben, sehe den Fleischern zu. Mitten am Markt gibt es einen betonierten Sportplatz, wo Faustball gespielt wird. Die Jugend aus dem Tal hat wiederum eine Ecke des Marktes für sich reserviert und übt Tanzschritte. Wer es sich leisten kann, isst in einem der zwei Restaurants am Rande des Marktes. Es ist wohl der kleinste Markt, den ich bisher in Ecuador gesehen habe, aber auch der authentischste.
Abgesehen von den anfänglichen Hunde-Begegnungen ist das bunte Treiben am Markt auch schon das Hektischste, das ich in diesen Tagen im Tal erlebe. Ich fühle mich einige Jahrzehnte in der Zeit zurückversetzt und von einer tiefen Ruhe durchzogen. Hoffentlich kann ich ein klein wenig davon aus den ecuadorianischen Anden in meinen Alltag mitnehmen.
Infos und Adressen: Wandern im Intag Valley, Ecuador
Lage: Das Intag Tal ist nach dem Fluss „Intag“ benannt und liegt auf gut 1.400 m Seehöhe mitten in den ecuadorianischen Anden (Provinz Imbabura) – gut 5 Autostunden nordwestlich der Hauptstadt Quito.
Anreise: In das Intag Valley kommt man per Bus von der Stadt Otavalo aus. Von hier aus fährt man gut 2 Stunden bis man den Ort Apuela im Tal erreicht. Dort schnappt man sich ein Taxi zur Unterkunft. Auch mit dem Auto kann man das Tal problemlos erreichen. Die Straßen sind gut und die Fahrt in das Tal über zahlreiche Serpentinen gestaltet sich spektakulär.
Beste Reisezeit: Das Intag Valley kann man das ganze Jahr bedenkenlos besuchen. Die Monate Januar, Februar bzw. Juli und August sind hier Hochsaison, weil Trockenzeit. Es kann jedoch auch in diesen Monaten immer wieder regnen. Auch wenn es hier unter Tags sehr heiß wird, die Nächte sind oft sehr kalt. Deshalb sollte man warme Bekleidung nicht vergessen.
Unterkunft: Im Tal verstreut finden sich einige Unterkünfte. An Wochenenden kommen auch einige Einheimische ins Tal, es lohnt sich auf jeden Fall zu reservieren. Ein Geheimtipp im Intag Valley ist sicher das Pacheco Farmhouse. Eine sehr gemütliche, familiäre und preiswerte Unterkunft direkt neben dem Intag-Fluss. Gekocht wird, was im Garten wächst, gewohnt wird in süßen, heimeligen Bungalows zwischen Avocado-Bäumen.
Blog: Hier geht's zur Webseite von Martin Jordan.