Auf die Talijanka im Dinarischen Gebirge

Der Ausgangspunkt der Tour liegt südwestlich von Gusinje an einem kleinen „Visitor-Centre“ mit Café-Bar bei Škala an den Pforten des jungen Nationalparks Prokletije - und bereits auf stolzen 1.150 m. Zunächst geht es auf einem gut markierten Pfad in einigen Kehren durch einen alten Buchenwald bergan, ehe man nach ungefähr 1 h 30 die Baumgrenze überschreitet. Mit Erreichen des offenen Plateaus folgt man einem zusehends schmaler werdenden Pfad, bis man bald schon den ersten Gipfel der Tour erreicht hat: die Volusnica auf 1.879 m. Und hier nun eröffnet sich ein wahrlich spektakulärer Blick: Wie Säulen schrauben sich die felsigen Zacken der Prokletije-Gipfel aus einem bemoosten Kar in den Himmel. Man könnte sich ohne Weiteres in den Dolomiten wähnen.

Nachdem man diesen Anblick ausgiebig genossen hat, folgt man dem schmalen Pfad weiter entlang des Kamms - und balanciert damit in weiterer Folge - im wahrsten Sinne des Wortes - zwischen zwei Ländern. Der Kamm des Prokletije-Gebirges im Grbaja-Tal markiert die Grenze zwischen Montenegro und Albanien. Hier warten etwas anspruchsvollere Passagen auf, gibt es doch vereinzelt ausgesetzte Stellen mit steil abfallendem Gelände auf beiden Seiten. Der Ausblick entlohnt allemal: gleich zwei Länder hat man im Blick, garniert von einer Felskulisse, die wirklich sprachlos macht.

So ist bald auch der zweite Gipfel erreicht: die Talijanka auf 2.056 m. Sie erinnert mit ihrem Namen, der übersetzt „italienisches Mädchen“ heißt, an die italienische Division, die hier, im Grenzgebiet von Albanien und Montenegro, während des Zweiten Weltkriegs stationiert war. Hinter einem liegen noch die schroffen Gipfel der prominenten Felsriesen, vor einem bereits eine deutlich lieblichere Landschaft. Durch diese führt der Abstieg, bereits auf albanischer Seite. Sanft begraste Hügel dominieren nun das Bild. Vorbei an weidenden Schafen und begleitet von einem Licht, das fast noch wärmer scheint als das toskanische. Wie unter einem goldenen Filter liegen die faltigen Hügel, die allmählich wieder in Wald übergehen. Der letzte Abschnitt führt mitunter wieder etwas steiler stetig durch nun immer dichter werdenden Wald talwärts, ehe man das kleine Bergdorf Lëpushë erreicht. Ein Dorf wie aus dem Bilderbuch am Fuße des Prokletije-Gebirges. Wie zufällig hineingewürfelt stehen einige wenige Häuschen auf der Hochebene verteilt. Mit dem Guesthouse Alpini findet man in einen von ihnen Unterkunft.