David Lama: Über das Heimatgefühl
Kletterstar David Lama wurde in Tirol geboren, steht als Sohn eines nepalesischen Vaters aber zwischen zwei Welten. Vorigen Herbst reiste er nach mehr als 15 Jahren wieder nach Nepal – uns schildert er seine Gefühle.
Mein Vater, Rinzi, wurde in Nepal geboren und arbeitete dort als Wanderführer, bis er als junger Mann meine Mutter kennenlernte und ihr nach Österreich folgte. Ich war zuletzt als Kind mit meinen Eltern bei meinen Verwandten zu Besuch. Für meine Rückkehr hatte ich zwei Dinge ins Auge gefasst: Zuerst wollte ich mit den Eltern in das Dorf meines Vaters gehen und dort den nepalesischen Teil meiner Familie besuchen. Dann sollte Conrad Anker nachkommen, und zusammen würden wir uns am unbestiegenen Lunag Ri (6.895 m) versuchen.
Vor ein paar Jahren noch verspürte ich kaum ein Verlangen, nach Nepal zu reisen, und hatte meine Eltern auch nicht auf ihren Trekkingreisen dorthin begleitet. Meine volle Konzentration galt dem Klettern, dem Wettkampf und später meinen alpinen Projekten, die sich bislang immer abseits meiner „zweiten Heimat“ Nepal abspielten. Ich suchte meinen eigenen Weg, und dazu war es notwendig, Neues zu erkunden.
In den letzten Jahren zog es mich mehr und mehr nach Nepal zurück. Welchen Einfluss hatte die Kultur der Sherpa auf meine Entwicklung? Ich hatte das Gefühl, eine Reise nach Nepal könnte mir helfen, diese und andere Fragen zu beantworten.
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Bevor es losging, hatte ich lediglich die Bilder meiner Eltern von unseren gemeinsamen Trekkingreisen im Kopf. Diese Erinnerungen fühlten sich aber mehr erzählt an, als dass ich das Gefühl hatte, sie selbst erlebt zu haben.
Ich war deshalb vor allem gespannt, welche Emotion Nepal in mir auslösen würde. Würde es ein Gefühl der Heimat sein? Damit verband ich bis dahin hauptsächlich Tirol, wo ich wohne. Patagonien wäre ein zweiter Ort, der mir durch meine vielen Reisen und Erlebnisse ähnlich vertraut vorkommt. In den ersten Tagen nach meiner Ankunft in Nepal, wo auch ein Film über mich und meine Familie entstand, fühlte ich mich aber nicht wie daheim, sondern eher fremd. Sogar in Pakistan fühle ich mich mittlerweile mehr daheim als am ersten Tag in Nepal. Aber schon bald stellte sich eine andere Stimmung ein. Lieder von Schulkindern, die am Weg entlangspazierten, die Gerüche der Gewürze im Essen oder auch die Gesichter meiner Verwandten, die ich zuvor nicht mehr hätte beschreiben können, fühlten sich auf einmal wieder vertraut an. Es war eine eindrückliche Erfahrung, wie diese Erinnerungen wieder lebendig und präsent wurden.
Schon nach ein paar Tagen fühlte ich zu Land und Leuten eine Verbundenheit, die mir weniger zufällig und tiefer verwurzelt vorkam als jene, die ich zu anderen Orten habe. Je mehr Zeit ich dort verbrachte, desto natürlicher kam es mir vor, mich mit dem Ort zu identifizieren.
Ich glaube, das Geühl von „Heimat“ kennt keine Grenzen und ist nicht nur an einen Ort gebunden. Aber es gibt Orte, an denen eine grundsätzliche Verbundenheit vorhanden ist. Für mich ist Nepal so ein Ort. Dass ich in diesem Herbst wieder dort bin, kommt wohl nicht von ungefähr.
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- TV-Tipp: David Lama - Zurück zu den Wurzeln, am 11. Jänner 2017, 21.15 Uhr bei Servus TV.