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Federleicht über den Donausteig

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6 Min.

25.05.2021

Foto: Doris Himmelbauer

von Robert Maruna

Trailrunning am Donausteig: Von schmalen Pfaden entlang des Donauufers über tosende Klammen und blühende Frühlingswiesen bis hin zu weitläufigen Ausblicken an historischen Kraftplätzen. Ein Lauferlebnis, der ganz besonderen Art.

„Leicht, leicht, federleicht!“ So läuft es sich am besten, sagt Florian Reiter. Und der 36-jährige Oberösterreicher muss es wissen: Er ist Laufcoach, Physiotherapeut und leidenschaftlicher Trailrunner der ersten Stunde. Wobei Trailrunning ja bloß ein moderner Begriff für eine uralte Bewegungsform ist: Das Laufen. Und am einfachsten läuft es sich über weiche Wiesen- oder Waldböden, weiss Florian zu berichten. Wir aber springen gerade über Stock und Stein, während links und rechts des Trails ein Abgrund lauert. Trotzdem versuche ich Florians Leichtfüßigkeit zu folgen und nicht den Anschluss zu verlieren. Schließlich haben wir noch einige Kilometer vor uns und wollen noch vieles erkunden am Donausteig: Der wohl besten Trail-Landschaft Oberösterreichs.


Video: Trailrunning am Donausteig

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Weitwanderweg Donausteig

Auf einer Länge von rund 450 km folgt der Donausteig dem Flussverlauf der blaugrünen Donau. Von der historischen Stadt Passau über Linz bis nach Grein im oberösterreichischen Mühlviertel. Ein offizieller Weitwanderweg, der keine alpinen Gipfelstürme zum Ziel hat, sondern ein Lebensgefühl für die grüne Landschaft entlang der Donau vermittelt. Wir haben uns vorgenommen dem Donaulauf zwei Tage lang zu folgen: Die erste Etappe führt uns von Hofkirchen bis zur Schlögener Schlinge, am Folgetag wollen wir das Pesenbachtal und Untermühl erkunden. Die erste Strecke misst 12, die zweite 8 Kilometer. Die Vorfreude ist groß.

Die Burg Marsbach im Donautal ist der älteste Adelssitz des oberen Mühlviertels und Treffpunkt unseres Laufauftakts. Wir starten in aller Frühe, das Wetter könnte nicht besser sein: Die Sonne scheint vom Himmel herab, weit und breit ist keine Wolke zu sehen. Wobei es eine Spur zu heiß zum Laufen ist, „aber in ein paar Minuten laufen wir im Schatten des Waldes“, sagt Florian und legt das Tempo vor. Und er soll Recht behalten: Nach wenigen Laufmetern über blühende Frühlingswiesen kreuzen wir eine Forststraße und biegen hinter der Burg Marsbach in den Wald ab. Der Trail ist trocken und weich, der Waldboden ist von Moos bewachsen, zwischen den Fichten scheint immer wieder ein Lichtstrahl hindurch.

Wir laufen uns langsam warm und springen über ein schmales Bachbett, bevor wir über eine kleine Steigung zum ersten Aussichtspunkt gelangen. Kurze Verschnaufpause: Wir nehmen ein paar Schlucke aus den Trinkflaschen in unseren Trailrun-Westen, schnüren die Schuhe fester und laufen wortlos weiter. Der Kreislauf ist nun voll auf Touren, ich versuche Florians Fußspuren zu folgen, da bleibt er urplötzlich stehen: „Du läufst zu laut“, sagt er zu mir, „versuche es einmal so“. Ich beobachte seine Schrittabfolge und verstehe was er meint: Meine Schrittlänge ist zu lang, die Intensität der Schritte zu kurz und so muss ich jeden Schritt mit mehr Gewicht abfangen als eigentlich notwendig. „Mach dich ganz leicht“, ruf er mir von hinten zu. Ich gebe mein bestes, wie eine Feder über dem Trail zu schweben und siehe da: Mit mehr und kürzeren Schritten läuft es sich erstaunlich leichter. Ein gutes Gefühl.

Wir verlassen den lichten Wald, sprinten über grüne Wiesen und genießen laufend den Ausblick über die hügelig-grüne Landschaft. Wir sprechen wenig, unsere Konzentration gilt dem Laufen. Zeit zum Unterhalten haben wir beim nächsten Rastplatz: Der Burgruine Haichenbach.


Wo sich die Donau windet

Die überwachsene Burgruine am waldreichen Höhenrücken oberhalb von Schlögen ist ein beliebter Aussichtsplatz: Gegenüber erkennt man den Aussichtspunkt Steiner Felsen, darunter fließt die grüne Donau. Von hier oben sieht es fast so aus, als ob sie stehen würde. „Das täuscht, die Strömung ist gar nicht so sanft hier“, grinst Florian, der auch gerne mal ins Wasser springt und schwimmend sein Training absolviert. Aber bevor wir uns den Sprung ins kühle Nass am Ende des Tages verdient haben, gilt es noch ein paar Kilometer zu absolvieren. Wir rasten einen kurzen Moment im Schutz des Schattens der Ruine, die übrigens im 15. Jahrhundert den Raubrittern rund um Simon Oberheimer als Stützpunkt diente. Der kaltblütige Umgang seiner Gefolgschaft mit den Donauschiffern, denen sie überhöhte Abgaben auferlegten, führte zu zahlreichen Einträgen der Burg in Sagen- und Geschichtsbüchern. Florian legt die Weste wieder an, es geht weiter.

Was nun folgt ist das absolut Beste, was einem Trailrunner passieren kann: Ein schmaler Pfad führt über den bewaldeten Kamm, der von etlichen Sprüngen, Steilkurven und Geländekuppen durchsetzt ist. Wir laufen so schnell uns unsere Füße tragen können und springen von einer Unebenheit zur nächsten, wir müssen beide vor Freude lachen. So macht Laufen Spaß, so sollte Laufen immer sein: Man weiß zwar nicht, was einen hinter der nächste Geländekuppe erwartet, aber man vertraut auf sein Gefühl und läuft einfach weiter. Bis man dann unweigerlich doch ausrutscht und auf der Nase landet. „Aber das gehört dazu“, sagt Florian und schießt vor mir mitten durch das Gebüsch den Abhang hinunter. Ich tue es ihm gleich, verkürze die Schrittlänge, halte die Arme weiter vom Körper entfernt und versuche so Balance und Geschwindigkeit in Einklang zu bringen. Es funktioniert und wenige Minuten später spuckt uns der Trail am Ufer der Donau aus. Nun heißt es kräftig durchatmen und in Au auf die kleine Radfähre warten.

Am anderen Flußufer setzt die Fähre in Schlögen an, wir verabschieden uns von Kapitän Ernst und laufen gemächlich weiter. Es gilt nun 300 Höhenmeter nach oben zu bewältigen, bevor wir unser heutiges Etappenziel erreichen: Den Schlögener Donaublick.

Ein Podest aus Stahl und Beton baut sich vor uns auf, Menschen mit Kameras und Selfie-Sticks setzen sich gekonnt darauf in Szene. Im Hintergrund die Schlögener Schlinge: Ein Meisterwerk der Natur und beeindruckender Anblick für den Menschen. In zwei 180°-Kurven windet sich die Donau wie eine große grüne Schlange zwischen den bewaldeten Rücken dahin. Wir trinken einen Schluck, wir essen einen Bissen und warten auf den Sonnenuntergang. Für heute sind wir genug gelaufen, „jetzt heißt es Kräfte sparen für morgen“.

 


Über Schlangen laufen

Der nächste Tag beginnt gemütlich: Von Untermühl laufen wir direkt am Donauufer entlang in Richtung Süden. Wir passieren den Kettenturm, den einzigen, noch heute erhaltenen Maut-Turm entlang der Donau. Vor über 500 Jahren musste jedes Donauschiff Abgaben an die Landesherrn zahlen, damit sie sich der Maut nicht entziehen konnten, hatte man eine Kette quer über die Donau gespannt. Bis zur Zeit der Napoleonischen Kriege, seitdem hängt die Kette im Pariser Armeemuseum. Der Turm steht noch immer. Und der Weg, der sich von ihm zum Schloß Neuhaus schlängelt, ist gerade breit genug für einen Läufer.

Rechts fließt die Donau, links flankieren große Granitfelsen den Weg. Ein paar Bohrhacken sind ersichtlich, die Kletterrouten sehen verlockend aus. Während ich in Tagträumen schwelge, bemerke ich nicht was unter mir passiert. Aber instinktiv springe ich, wie von der Tarantel gestochen, zur Seite und klammere mich an den Felsen: Eine schwarze, dicke und gar nicht kleine Schlange ist mir vor die Füße gekrochen. „Ein Äskulapnatter“, sagt Florian und lacht über meinen angsterfüllten Blick, „natürlich ungiftig“. Was mir völlig gleich ist, für Schlangen habe ich nichts über. Zum Glück passieren wir wenig später die Brücke in Neuhaus. Hier warten wir auf unser Taxi, ich versuche den Schrecken zu verarbeiten, Florian muss noch immer lachen.

Wir entfernen uns ein Stück weit von der Donau und tauchen ab in eine völlig andere Welt: Das Pesenbachtal. Beim Kerzenstein, einer bizarren Felsnadel, die steil in den Himmel ragt, füllen wir unsere Trinkflaschen auf und laufen hinab in die Klamm. Die nächsten fünf Kilometer folgen wir dem Pfad entlang des tosenden Bachs und verlieren uns völlig im Rausch der Geschwindigkeit. „Klassisches Flow-Erlebnis“, wird Florian später sagen. Ein Zustand, bei dem man völlig auf das Hier und Jetzt fokussiert ist. Die Umgebung wird zwar wahrgenommen, aber die Konzentration gilt völlig dem Trail, „und dem nächsten Schritt“.

Der Weg ist uneben, von Wurzeln und großen Steinen übersehen, ein Stolpern oder gar Umknöcheln wollen wir vermeiden. „Am besten man spielt mit dem Gelände“, sagt Florian. Ich folge seinem Rat und lasse mich von ihm leiten, nutze jede Gelegenheit zum federleichten Sprung. Bei den Teufelsbottichen bleiben wir kurz stehen. Sie sind ein Highlight des Pesenbachtals: kreisrunde Auswaschungen im Bachbett, die einst dem Teufel als Badeplatz gedient haben sollen. Hier soll er auch sein Gold gewaschen und versteckt haben. Uns bleibt aber keine Zeit danach zu suchen, wir wollen weiterlaufen. Zur Endstation unseres zweitägigen Trailruns: Dem traditionellen Kneippgarten in Bad Mühllacken.


Am Ende kneippen

Die Naturheilmethode, die auf den bayerischen Pfarrer Sebastian Kneipp zurückzuführen ist, kennt heutzutage jedes Kind: „Kaltes Wasser ist gutes Wasser“, so fasst Florian die heilende Wirkung der Kryotherapie zusammen. Kneippen stärkt das Immunsystem, aktiviert die Selbstheilungskräfte und fördert das seelische Wohl. Denn ins Blaue zu sehen, das entschleunigt. Und nachdem wir in Windeseile durch das Pesenbachtal gerast sind, schalten wir nun einen Gang hinunter und lassen den Puls zur Ruhe kommen. Mit nackten Füßen steigen wir durch den Bach und grinsen von einem Ohr zum anderen: Ein eiskalter Badeabschluss für ein federleichtes Lauferlebnis, dass man so nur am Donausteig erfahren kann.