Kräuterwandern: Gehen, sammeln, kochen
Foto: Christina Geyer
von Christina Geyer
Valerie Jarolim verrät auf Bergwelten monatlich ihre Lieblings-Wildkräuterrezepte. Redakteurin Christina Geyer hat sich persönlich von ihren Fähigkeiten überzeugt und war mit der diplomierten Kräuterpädagogin in Oberösterreich wandern, sammeln und kochen. Eine Reportage.
Eins ist gewiss: Eilig darf man es nicht haben, wenn man mit Valerie Jarolim wandern geht. Denn die diplomierte Kräuterpädagogin bleibt gefühlt jeden Meter stehen, um eine neu entdeckte Wildpflanze zu begutachten. „Ehrlich gesagt bin ich manchmal richtig erleichtert, wenn wir beim Wandern die Baumgrenze überschreiten. Dann habe ich endlich auch mal Augen für das Rundherum.“ Valerie lacht, blickt kurz auf – und senkt sofort wieder den Blick. Es könnte ja sein, dass ihrem scharfen Auge eine Pflanze entgeht.
Schon kniet sie wieder, pflückt ein längliches Blatt und sagt: „Plantago lanceolata – Spitzwegerich. Den kann man bei Erkrankungen der Atemwege einsetzen. Seine Schleimstoffe wirken reizlindernd und beruhigend bei Husten.“ Valerie ist ein wandelndes Kräuterlexikon: Namen, Inhaltsstoffe, Heilwirkung – sie schießt all diese Informationen aus der Hüfte. Für den kurzen Aufstieg aus Küpfern bei Weyer in Oberösterreich hinauf auf die kleine Alm, dem Ziel unserer Wanderung, brauchen wir gut zwei Stunden.
Der Korb ist bis zum Rand gefüllt, als wir auf der Alm ankommen. Bärlauchknospen, Waldmeister, Gänseblümchen, Brennessel, Rotklee, Giersch, Gundelrebe, Löwenzahn, Holunder – Valerie hat einen Plan, wahllos wird nichts gepflückt. Sie weiß genau, welcher Kräuter es für die geplanten Gerichte bedarf. Was sie von Goji-Beeren und Chia-Samen hält? Valerie lacht, zeigt auf die prachtvolle Almwiese und sagt: „Das ist mein Superfood!“ Und schon erklärt sie, warum es unsere heimischen Wildpflanzen problemlos mit dem importierten Mode-Superfood aufnehmen könnten: „Zum Vergleich: 100 Gramm Grünkohl enthalten 212 Milligramm Kalzium, dieselbe Menge Brennessel bringt es auf 630 Milligramm. Übrigens enthält die Brennessel auch sechs Mal so viel Vitamin C wie eine Zitrone.“
Angesichts solch beeindruckender Zahlen ist Valeries Ärger über die Bezeichnung „Unkraut“ durchaus verständlich. Gerade wild wachsende Pflanzen werden im Garten oft als lästiges und unerwünschtes Unkraut empfunden, dabei sind gerade sie es, die einen oftmals ungeahnten Nutzen für die Gesundheit des Menschen haben. „Heilpflanzen wirken aufgrund chemischer Stoffwechselprodukte, den sogenannten sekundären Pflanzeninhaltsstoffen“, erklärt Valerie. Dazu zählen unter anderem Bitterstoffe, Senfölglykoside und Schleimstoffe. Valerie legt die gesammelten Kräuter fein säuberlich am Tisch auf: Vor uns breitet sich eine Apotheke aus, die regionaler, saisonaler und frischer nicht sein könnte. „Und gratis ist das alles noch obendrein!“, sagt Valerie augenzwinkernd.
Es wird geschnippelt, aufgekocht, herausgebacken. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Wildes Pesto, Wildkräutersalat, ein Aufstrich aus Giersch, Löwenzahn und Gundelrebe, Holunderküchlein und Wildkräuterpalatschinken sind die beeindruckende Bilanz von Valeries Kochkünsten. Wir verkosten – und sind überzeugt. Nicht zuletzt weil wir plötzlich selbst das Gefühl haben, über Superkräfte zu verfügen.
4 Tipps von Valerie
Blatt & Dorn
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