Taipeh – Von der Luxus-Mall in den Dschungel
Taiwan ist mehr als nur der Hersteller von Elektrogeräten. Bergwelten-Redakteur Martin Foszczynski erkundet die östlich von China gelegene Insel und berichtet von ihren Naturschätzen und Outdoor-Angeboten. Selbst in der modernen Hauptstadt Taipeh ist die Wildnis nicht weit.
Kein Scherz – Taiwan sieht beim Landeanflug im Morgengrauen aus wie ein überdimensionierter Mikro-Chip. Das finde ich originell, läuft doch jeder zweite Computer dieser Welt im ostasiatischen Inselstaat übers Fließband. Es sind aber keine Silicium-Platten, die im ersten Licht des Tages schimmern, sondern Reisfelder. Sie liegen lose und soweit das Auge reicht verstreut – zwischen Wohnblocks und Straßen, Fabriken und Teichen. Ein mystischer Anblick.
Taipeh mit seinem futuristischen Taipei 101-Wolkenkrater als allgegenwärtigen Blickfang ist überschaubarer als gedacht. Zwar findet sich auch hier das typische Straßengewusel asiatischer Metropolen – inklusive zweistöckiger Autobahn und Motoroller-Schwärmen an der Ampel – doch sieht man am Horizont stets die dichtbewaldeten Berge, die Taiwans Hauptstadt einfassen. In nur 30 Autominuten erreicht man im Norden den vulkanisch geprägten Yangminshan Nationalpark mit seinen aussichtsreichen Wanderpfaden (mehr davon in einem anderen Blog-Post), aber auch die Thermalquellen von Beitou gehören quasi zum erweiterten Stadtgebiet. Und selbst mitten in der Metropole quillt vielerorts das grüne Dickicht von den Berghängen in die Gassen – es scheint fast, als hätte man die 3-Millionen-Stadt in den Dschungel gestellt.
Crazy Rich Asians auf Natur-Trip
Davon merkt man im Erdgeschoss des berühmten Taipei 101 – mit seinen 508 m bis 2007 der höchste Wolkenkratzer der Welt – freilich nichts mehr. Es ist eine Hochglanz-Shoppingmall, in der sich die opulenten Flagship-Stores internationaler Luxus-Brands à la Gucci und Co aneinanderreihen. Ich muss an die Komödie „Crazy Rich Asians“ denken – einen der unzähligen Filme, mit denen ich mir auf dem 14-Stunden-Flug von Paris nach Taipeh die Zeit vertrieb – , in dem asiatische „rich kids“ dem zügellosen Glamour frönen. Ganz so schlimm ist es hier nicht. Vor dem Traditionslokal Din Tai Fung, wo man die angeblich besten Dumplings der Stadt isst, steht man gar brav und geduldig in der Schlange.
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Abends dann, am für Taiwan so typischen Night Market in der Nähe des großartigen Longshan-Tempels, werden die Kontraste Taipehs noch deutlicher. Hier zwänge ich mich zwischen allerlei Jahrmarkts-Ramsch, Essens-Ständen und roten Deko-Artikeln für das bevorstehende Chinesische Neujahr durch die Massen, bis hin zur berüchtigten „Snake Alley“, in der neben obskuren Massage-Läden (zum Glück nur noch wenige) Schlangen in Glaskästen dahinsiechen. Auf der Speisekarte lässt sich studieren, wofür.
Mit Sneakers und Selfie-Stick
Während Besucher mit dem Turbo-Lift des Taipei 101 in 30 Sekunden auf 500 m geschossen werden (und von der Aussichtsplattform ein wirklich atemberaubendes Panorama auf die Dächer der Stadt genießen), dauert es vom Zentrum auch nur 30 Minuten, bis man auf den ersten Wanderweg ins Grüne einbiegt. Der am südöstlichen Stadtrand gelegene „Elephant Mountain Trail“ (auch: Nangang District Hiking Trail) ist eindeutig der beliebteste. Er schraubt sich über steile Treppen den wild wuchernden „Elefantenberg“ (Xiangshan) hoch.
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Hier, über den Dächern der Stadt, ist an einem Sonntagnachmittag Jung und Alt unterwegs. Zur Grundausstattung der taiwanesischen Wanderer gehören coole Sneakers und die Selfie-Stange. Das finde ich amüsant, aber irgendwie auch sympathisch. Eine solche hätte ich an den Aussichts-Bouldern, die entweder Mutter Natur oder Taipehs Fremdenverkehrsbüro an für Instagram-Fotos idealer Stelle abgesetzt hat, auch gut brauchen können.
Der Elefantenberg ist freilich nur die Spitze des Eisbergs eines wahren Wanderparadieses, das sich am Rande Taipehs ausbreitet. Etliche Trails führen ins grüne Umland, von denen meine Reisekollegen und ich heute aber keinen mehr in Angriff nehmen. Wenig bis gar kein Schlaf und ein stattlicher Jetlag haben zur Folge, dass wir uns eher nach der beheizten Klobrille im Hotel als nach Dschungel-Expeditionen sehnen.
Doch das wird sich bald ändern! Mehr dazu im nächsten Beitrag.