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Was ist ein Schneeprofil?

Wissenswertes

4 Min.

04.12.2023

Foto: Stefan Voitl

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von Simon Schöpf

Schon mal auf Skitour eine Gruppe an Leuten beobachtet, die mitten in einem Hang ein riesiges Loch buddeln und dann mit der Lupe die Schneedecke absuchen? Dann handelt es sich wohl um Lawinenprofis, die gerade dabei sind, ein sogenanntes Schneeprofil zu erstellen. Warum macht man das?

1. Was ist ein Schneeprofil?

Es ist ein bisschen wie mit einer Sachertorte, bei der man von außen betrachtet nur sagen kann: Viel Schoki, sieht köstlich aus. Erst, wenn man sie anschneidet, kommen die einzelnen Schichten zum Vorschein, die Sachermasse, die Marmelade, die Schokoladenglasur. Und auch bei einer Schneedecke kann man meist nur sagen: Alles weiß, schaut fluffig aus, lets powder! Doch so einfach ist das natürlich nicht, denn eine Schneedecke ist eine äußerst komplexe Angelegenheit. Und eine äußerst spannende, denn im freien Gelände kann eine versteckte Schwachschicht eben eine Lawine auslösen.

Ein Schneeprofil ist also das, was man bekommt, wenn man exemplarisch ein Stück der Schneedecke herausschneidet. Es ist ein Querschnitt durch die Schneedecke, der zur Untersuchung der einzelnen Schichten angelegt wird. Dadurch werden die verschiedenen Schichten im Schnee sichtbar und können hinsichtlich Härte, Schneeart, Kornform und Wassergehalt bzw. Feuchtigkeit weiter untersucht werden.

Diese lassen Rückschlüsse auf die meteorologischen Einflüsse zum Zeitpunkt der jeweiligen Schichtbildung zu, zum Beispiel Neuschnee, Regen, Wind oder Sonneneinstrahlung. Aber auch auf spätere Entwicklungen innerhalb der Schneedecke sowie Eigendruck oder Hangneigung kann geschlossen werden. Mit Erfahrung kann man so den Witterungsverlauf eines ganzen Winters rekonstruieren.


2. Wozu braucht man ein Schneeprofil?

Schneeprofile dienen dazu, den Schneedeckenaufbau mit den wichtigsten Schneeparametern sichtbar zu machen und allfällige Schwachschichten in der Schneedecke zu lokalisieren. Daraus können Rückschlüsse auf die Entstehung der Schwachschicht gezogen werden.

Lange Zeit wurde das Schneeprofil als Standardmaßnahme zur Beurteilung der Lawinengefahr für Wintersportler empfohlen. In den letzten Jahrzehnten ist das Schneeprofil als Methode zur Beurteilung der Lawinengefahr aber in die Kritik geraten. Die moderne Lawinenforschung hat gezeigt, dass Schneeprofile oft nicht sehr repräsentativ sind. Es können in einem Hang Zonen mit sehr unterschiedlichem Schneedeckenaufbau dicht nebeneinander liegen, sodass von einem Schneeprofil nur schwer auf die Verhältnisse in der Umgebung geschlossen werden kann. Trotzdem: Fest steht, dass neben den meteorologischen Faktoren der Schneedeckenaufbau darüber entscheidet, ob eine Lawine anbricht – oder eben nicht.


3. Wie wird ein Schneeprofil erstellt?

Zuerst braucht man den passenden Platz dafür: Ein kleiner Hang mit günstigem Auslauf und gleichmäßiger Schneeoberfläche. Die Schneehöhe prüft man mit der Lawinensonde, die man am auserwählten Platz stecken lässt. Nun heißt es buddeln. In den meisten Fällen gräbt man mit der Lawinenschaufel vertikal durch die Schneedecke, bis zum Grund. So wird bereits der schichtweise Aufbau der Schneedecke sichtbar und die Dicke der Schichten kann analysiert werden. Von Beginn an ist darauf zu achten, dass eine glatte Wand entsteht. Jetzt liegt das ganze Geheimnis der Schneedecke offen vor einem.

Das Ziel ist nun, die Schwachschichten ausfindig zu machen. Dafür gibt es eine ganze Reihe an Methoden – fühlen, sehen, messen. Grundsätzlich wird das Profil von oben nach unten aufgenommen, um die verschiedenen Schichten und ihre Eigenschaften zu erkennen. Für jede Schicht werden die Schneefeuchte, die Schneehärte, die Kornform und der Korndurchmesser erfasst. Die Schneetemperatur wird unabhängig von den Schichten ca. alle 20 cm gemessen. Schichtgrenzen sind einerseits visuell durch unterschiedliche Helligkeiten und Farben und andererseits haptisch durch Härteunterschiede erkennbar. Dabei ist besonders auf dünne, lockere Schichten zu achten, da diese als potentielle Schwachschicht wirken können.

Zur Bestimmung von Kornform und Korngröße benötigt man – neben etwas Übung – ein Schneegitter, das vor der Messung in den Schnee gesteckt wird. Dadurch wird verhindert, dass die Kristalle auf einem zu warmen Raster schmelzen. Mit dem Raster werden dann einige Körner aus der zu untersuchenden Schneeschicht durch leichtes Schütteln oder Klopfen auf dem Raster verteilt.

Während die Parameter Feuchtigkeit, Härte und Temperatur relativ einfach zu bestimmen sind, kann die Beurteilung der Kornform und des Korndurchmessers für den weniger Geübten schwierig sein. Die Dokumentation erfolgt schichtweise in einem Feldbuch. In Österreich werden die Daten dann in LAWIS übertragen.


4. Was ist ein Belastungstest?

Die Erstellung des Schneeprofils ist immer mit einem sogenannten Belastungstest verbunden. Dafür benötigt man folgende Hilfsmittel:

  • Schaufel, Sonde

  • Schneesäge (oder Reepschnur)

  • Ein ausgedrucktes Datenblatt z.B. in Form eines Feldbuches („Winter Journal“, „Snowprofiler“ o.Ä.) inklusive Bleistift

  • Ein Schneethermometer

  • Ein Schneeraster

  • Eine Lupe

Es gibt auch fertige Sets zu kaufen, wie zum Beispiel das „Save U“ von Lawinenexperte Lukas Ruetz, den wir im Bergwelten Magazin Winter 2023/24 ausführlich portraitieren.

Über die verschiedenen Belastungstests könnte man Bücher schreiben, deshalb hier nur ganz kurz: Über einen isolierten Block, den man mittels Schneesäge oder Schnur sauber herausschneidet, lässt sich das mechanische Verhalten der Schneedecke im Miniaturformat nachstellen. Vereinfacht gesagt versucht man, eine Mini-Lawine auszulösen. Ein gängiges Mittel dazu ist der ECT (Extended Column Test oder Erweiterter Säulentest) oder der Rutschblocktest. Eine Schneedeckenuntersuchung ist nur komplett, wenn beides – ein Schneeprofil und ein Schneedeckentest – durchgeführt wird.

Man muss aber nicht zwangsläufig selbst in kalten Schneelöchern stehen und wühlen, denn viele Profile sind öffentlich einsehbar.

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5. Wie interpretiert man ein Schneeprofil?

Bei der Interpretation des Schneeprofils geht es darum herauszufinden, ob es sich um eine kompakte, stabile Schneedecke mit gut verbundenen Schichten und runden Kristallen handelt, oder um eine eher instabile Schneedecke mit einem Wechsel von Krusten und kantigen Kristallen. Ersteres will man als Tourengeherin im Gelände sehen, zweiteres eher weniger. Die Testergebnisse geben Aufschluss über das Auftreten von Brüchen und das Vorhandensein von störanfälligen Schwachschichten. Diese Schwachschichten wiederum sind in den allermeisten Fällen der Grund für Schneebrettlawinen.

Wichtig für die Beurteilung eines Schneeprofils inklusive Stabilitätstest sind neben der Belastungsstufe die Art des Bruches, der Schichtaufbau sowie die Art der Schwachschichten und deren Übergänge. Generell gilt: Je unterschiedlicher die Schichten, desto ungünstiger sind die Stabilitätsverhältnisse im Hang. Bei der Betrachtung der einzelnen Schichten werden diese gezielt nach Schichteigenschaften und Eigenschaften der Schichtgrenzen untersucht. Dabei können kritisch zu beurteilende Schichteigenschaften und Eigenschaften der Schichtgrenzen im „Nietentest“ nach insgesamt sechs Kriterien - den sogenannten „Nieten“ - identifiziert werden:

  1. Kornform

  2. Korngröße

  3. Härte

  4. Korngrößenunterschied

  5. Härteunterschied der Schichten

  6. Höhe der Schichtgrenze

Klingt kompliziert, erweist sich aber in der Praxis als durchaus praktikabel: Lässt sich die Faust in die Schicht drücken? Sind einzelne Körner mit bloßem Auge erkennbar? Ist der Schichtübergang in Korngröße und Härte ausgeprägt? Wenn alle Fragen mit „Ja“ beantworten werden können, sind bereits 4 von 6 Nieten identifiziert. Liegt die Schwachschicht zudem weniger als einen Meter tief in der Schneedecke und sind die Körner eher eckig als rund, kommen die zwei fehlenden Nieten hinzu und die Schicht kann als kritische Schwachschicht beurteilt werden. Findet man in einer Schicht 5 Nieten oder in mehreren Schichten 4 oder mehr Nieten, so ist die Schneedecke besonders schwach.