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Südafrika am Kletterseil

Reise

8 Min.

06.06.2022

Foto: Helmut Gargitter

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Andreas Brunner hat mit Freunden Südafrika abseits der Touristenrouten bereist und bei dieser Gelegenheit nicht nur die besten Kletterfelsen des Naturparadieses erkundet, sondern auch seine Menschen kennengelernt. Ein bleibendes Erlebnis.

Bericht: Andreas Brunner

Es gibt einen Ausdruck für das Gefühl von Menschen, die sich nach ihrem ersten Besuch Afrikas wehmütig auf den Kontinent zurücksehnen: „Mal d’Africa“. Dieses Gefühl kennen wir nach unserer Reise quer durch Südafrika nun auch allzu gut.

Unser Abenteuer startet Mitte Oktober mit der Landung in Johannesburg. Die Millionenmetropole – Südafrikas größte Stadt – und ihr hektisches Treiben verlassen wir jedoch schnell wieder, um das Land aus einer anderen Perspektive kennenzulernen. Zweieinhalb Stunden später steigen wir in der Nähe einer neugierigen Affenbande aus unserem Mietwagen, den wir oberhalb des 5.000-Seelen-Ortes Waterval Boven erstmal für einige Tage abstellen.

Bekanntlich sind ja unsere nächsten Verwandten aus dem Tierreich die Affen. Die neugierigen Ast-Akrobaten in Waterval Boven, die uns in den nächsten Tagen immer wieder begegnen, werden nach unserer Abreise wohl ähnlich denken: Diese sieben Bleichgesichter klettern genauso gerne an unserem rotbraunen Sandstein von phänomenaler Qualität herum und scheinen sich in ihrer Gruppe sichtlich wohl zu fühlen.  


Waterval Boven – alleine mit Affen

Tatsächlich fühlen wir uns sofort wohl in jenem Land, das bis vor wenigen Jahrzehnten durch die Apartheid – die organisierte Rassentrennung – noch arg gebeutelt wurde. Die Menschen sind extrem freundlich und zuvorkommend. Trotzdem haben wir die Erfahrung gemacht, dass vor allem in den ländlichen Gebieten die Trennung von Weißen und Schwarzen bei genauerem Hinsehen nach wie vor nicht vollständig verschwunden ist. Die Zeit wird diese Kluft hoffentlich beseitigen. Wir behalten das Land und seine Menschen definitiv von ihrer besten Seite in Erinnerung – und werden noch lange über Erlebnisse wie den spektakulären Zustieg zu einem der Klettersektoren in Waterval Boven schmunzeln. Im Kletterführer steht dazu Folgendes geschrieben: „Der schnellste Weg um zum Klettergarten zu gelangen, verläuft direkt durch einen Eisenbahntunnel“. Gefolgt vom Hinweis: „Wenn ein Zug kommt, einfach ganz dicht an die Tunnelwand drücken. Es ist zwar ziemlich erschreckend, wenn dieser Zug vorbeifährt, aber auf diese Weise absolut sicher.“

Um uns vom Klettern und dem Nervenkitzel zu erholen, ist unser nächstes Etappenziel der Kruger Nationalpark. Eines der größten Wildschutzgebiete und zugleich Heimat nahezu aller großen Wildtiere Afrikas.

Die Safari ist eine willkommene Abwechslung bevor es weiter nach Groblersdal geht. Ein Zwischenstopp auf unserer Durchquerung Südafrikas von Nordosten nach Südwesten, wohin sich normalerweise keine Touristen verirren. Dank der Kontakte und Freundschaften unseres Reisekameraden Helli dürfen wir im Garten einer afrikanischen Familie unsere Zelte aufschlagen. Unsere Gastgeber sind Lehrer an der örtlichen Schule, die wir am nächsten Tag auch besuchen. Wir tanzen und singen gemeinsam mit den Kindern – südafrikanisches Temperament trifft auf Südtiroler Bescheidenheit. Die anfängliche Schüchternheit verflüchtigt sich schnell und bald sind die Kinder ganz wild darauf, unzählige Fotos mit uns zu machen. Besonders beliebt: unsere blonden Begleiterinnen. Wie wir später erfahren, waren wir für die meisten der Kinder die ersten Weißen, die sie bisher zu Gesicht bekamen.


Südtirol trifft auf Südafrika

Der Aberglaube und das Vertrauen in altbekannte Rituale sind in den ländlichen Gebieten Südafrikas weit verbreitet und wichtiger Bestandteil im Leben der Menschen. Krankenhäuser und moderne Medizin haben bei einem Großteil der Bevölkerung hingegen noch einen ziemlich schweren Stand. Im Gegensatz zu alternativen Heilungsmethoden. Die Begegnung mit dem traditionellen Heiler Dr. Makitla, der uns in seinem Medizinzimmer einige von seinen unzähligen Behältern mit diversen „Medikamenten“ pflanzlichen und tierischen Ursprungs vorführt, war ziemlich spannend.

Am Abend können wir die Magie eines der hier üblichen Rituale auch selbst erleben. Dabei wird versucht, einen Patienten durch monotone Klänge, Tanz und Gesang in eine Art Trance zu versetzen und ihn durch Zugabe eines zusammengepanschten Heilmittels aus Dr. Makitlas ominösen Behälterchen zu heilen. Ob die Zeremonie Wirkung gezeigt hat, können wir leider nicht mehr überprüfen, für uns steht in den kommenden Tagen wieder Klettern auf dem Programm und wir reisen weiter.

Nächster Halt nach einer langen Autofahrt: die Mt. Everest Farm bei Harrismith. Sie liegt in den Highveld Planes, einer gewaltigen, kaum bewohnten Hochebene mit Felstürmen, die uns sofort beeindruckt. Zwischen Zebraherden und imposanten Straußen hindurch geht es vom Zeltplatz in Richtung Felsen. Wir klettern uns für zwei Tage die Hintern- und Rückenschmerzen der langen Autofahrten aus dem Körper bevor unser Sitzleder erneut auf die Probe gestellt wird.​

Endlose 17 Stunden Autofahrt später erreichen wir unser Camp am Wolfsberg. Die letzten 40 Kilometer verlaufen auf einer nicht mehr enden wollenden Schotterstraße durch ein touristisch kaum erschlossenes Gebiet. Dafür checken wir quasi im Paradies ein: In den Cederberg Mountains erwarten uns unzählige cleane Tradrouten – eine schöner und spektakulärer als die nächste. Zudem wohnen wir inmitten eines der berühmtesten Weinanbaugebiete Südafrikas. Für die nächsten Tage gilt: Am Morgen klettern, am Abend preisgekrönten Wein trinken. Ausgerüstet mit zahlreichen Friends, Keilen, Nuts und sonstigen mobilen Sicherungsmitteln, die schwer an unseren Gurten baumeln, wagen wir uns in die verwinkelten und von spektakulären Dächern durchzogenen Wände.


Edle Tropfen und cleane Routen

Geschickt winden sich die Routen entlang von Rissen, mal unterhalb, dann wieder oberhalb weit ausladender Dächer nach oben. Die Kletterei ist absolut begeisternd und die Kopfschmerzen von übermäßigem Weinkonsum täglich aufs Neue vergessen sobald wir uns in der Vertikalen bewegen.

Am Ende dieser Wände schließt eine Hochfläche mit bizarren Felstürmen an, die man eher im Südwesten der USA erwarten würde. Ein magischer Ort. Genau hier ist der richtige Platz um für unsere Freunde Helene und Kopfi ein Steinmännchen zu bauen. Sie sollten eigentlich bei dieser Reise mit dabei sein, sind aber wenige Wochen vor dem Abflug bei einer gemeinsamen Vorbereitungstour in den Dolomiten tödlich abgestürzt. Wir sitzen lange schweigend am Gipfel der Wolfsberg Cracks, jeder tief in seine eigenen Gedanken versunken und den Moment aufsaugend. Wissend, dass wir die Stille und Abgeschiedenheit des Truitjies-Tals (Truitjieskraal) bald wieder verlassen müssen, um ins Boulder-Mekka schlechthin weiterzureisen: Die Rocklands.

Jeder Boulderer gerät ins Schwärmen, wenn er von den Rocklands hört. Nachdem wir in Waterval Boven bereits sportgeklettert sind und in Harrismith sowie an den Wolfsberg Cracks alpine Mehrseillängen sowie Tradrouten gemeistert haben, fehlt jetzt nur noch eine Disziplin: Das Bouldern. Am Campingplatz de Pakhuys, wo wir unsere Zelte aufschlagen, gibt es Bouldermatten auszuleihen und wir machen uns höchst motiviert auf den Weg, um dem legendären Ruf dieser Felsen auf den Grund zu gehen.

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Boulder-Paradies Rocklands

Wir sind komplett außerhalb der Saison hier, der südafrikanische Winter ist vorbei, der Sommer naht und eigentlich ist es viel zu warm, um schwere Boulder zu projektieren. Zum Glück weht ein kühler Wind, der die Reibung auf ein akzeptables Niveau bringt. Der Fels, die Formationen und die erforderlichen Bewegungen sind in der Tat einzigartig und wir sind begeistert von der Kletterei. Neben dem Bouldern ist auch das Sportklettern absolut empfehlenswert.

Wir klettern uns von morgens bis abends die Finger wund – ohne zu merken wie die Tage verrinnen und das Ende unserer Reise immer näherkommt. Plötzlich heißt es Koffer packen. Das Kletterzeug kommt ganz nach unten, wir werden es hier nicht mehr brauchen.

Nochmal steigen wir ins Auto und fahren an den südwestlichsten Punkt Afrikas: Das Kap der guten Hoffnung. Hier heißt es Abschied nehmen von fantastischen Menschen, Erlebnissen, Begegnungen, atemberaubenden Landschaften und einigen der besten Felsen und Routen, die wir bisher klettern durften. Wir konnten das Land mit allen Sinnen erleben: Als letztes nochmal richtig intensiv mit unserem Geruchssinn, dank eines verwesenden Wals, der direkt an der Südspitze dieses wunderschönen Kontinents gestrandet ist – wir taufen ihn „Wal d´Africa“.


Infos und Adressen: Klettern in Südafrika

Waterval Boven
Sportklettern

Das wohl bekannteste Sportklettergebiet Südafrikas liegt knapp 2,5 Autostunden von Johannesburg entfernt. Direkt am gleichnamigen 5.000-Einwohner- Örtchen Waterval Boven stürzt ein Wasserfall in eine Schlucht, an deren Ränder sich mehrere hundert Routen (in südafrikanischem Quarzit – ein granitartiger, extrem harter Sandstein) befinden.

Die Routen mit ihren eckigen Griffen und Tritten gehören zum Feinsten, was man weltweit finden kann. Die Zustiegszeit beläuft sich für fast alle Sektoren auf unter 30 Minuten. Der wohl schönste Sektor ist „Last Crag of the Century“ durch den namensgebenden Wasserfall. Aber auch Sektoren wie „Super Bowl“ und „Hallucinogen Wall“ sowie „The Restaurant“ sind absolute Perlen.

So gut wie alle Routen sind exzellent abgesichert. Auch einige klassische Trad-Routen lassen sich mit Friends und Keilen in den festen Rissen bestens absichern.

Als Unterkunft können wir die kleinen Häuschen der Tranquilitas Farm empfehlen. Von hier ist es zwar täglich eine kurze Autofahrt zu den Klettergebieten, dafür befindet man sich in einer wunderschönen und ruhigen Gegend etwas oberhalb des Dorfes.

Harrismith - Mount Everest Farm
Sportklettern und Alpinklettern

Harrismith, der zweite Kletterspot auf unserer Südafrika-Reise, liegt relativ zentral im Landesinneren. Von den Felsen über den Highveld Planes hat man einen atemberaubenden Ausblick über die Weiten dieser Hochfläche. Hier sollte man definitiv einen Zwischenstopp einlegen, wenn man Südafrika zum Klettern besucht.

Kletterer finden hier ungefähr 150 gebohrte Sportkletterrouten, an die 20 Trad-Routen und dutzende gespittene Mehrseillängenrouten mit 2-6 Seillängen.

Untergebracht waren wir in der Mount Everest Game Farm mit ihren Zebras, Straußen und einem Campingplatz wo wir unsere Zelte aufgeschlagen haben.

Der Fels ist jünger und weicher als in Waterval Boven, weshalb man mit Friends und Keilen etwas vorsichtig sein sollte. Die Formationen auf denen geklettert wird, sind dafür umso abwechslungsreicher und einzigartiger.

Cedarberge – Wolfsberg Cracks
Sportklettern und Alpinklettern

Die Cederberg Mountains sind ein touristisch kaum erschlossenes Gebiet, mit beeindruckenden Felsformationen die am ehesten an Landschaften im Südwesten der USA erinnern. Das Truitjies-Tal (Truitjieskraal) zählt sogar zum UNESCO-Welterbe. Neben großartigen Möglichkeiten zum Sportklettern an den skurrilen Felsformationen finden sich auch wunderschöne Trad-Routen, zum Beispiel an den Wolfsberg Cracks, sowie zahlreiche Boulderblöcke.

Auch kulturell hat das Gebiet einiges zu bieten – etwa die bis zu 5.000 Jahre alten Felsmalereien Indigener Völker. Auch leben zahlreiche Tierarten in dieser wunderbaren Gegend: Wüstenluchse, Honigdachse, Stachelschweine, Erdwölfe oder Geparden.

Das Gebiet liegt rund drei Autostunden von Kapstadt entfernt. Für den Zugang braucht es ein Permit, das man an der Rezeption des Kromriviers Cederberg Parks, im Oasis oder auf der Nuwerust Farm erhält.

Wir waren in einem kleinen Häuschen auf der Weinfarm Sandrif Holiday Resort untergebracht – an hauseigenen edlen Tropfen zum Verkosten mangelte es dort nicht.

Als Kletterer trifft man in dieser Gegend immer wieder auf Affen, die einen in den meist kurzen aber technisch raffinierten Routen ganz schön alt aussehen lassen. Die Griffe sind hin und wieder leicht „beschissen“ – im wahrsten Sinne des Wortes.

Rocklands
Bouldern und Sportklettern

Die Rocklands sind eines der besten Boulder-Gebiete weltweit. Aber auch mit Seil und Gurt findet man unzählige erstklassige Klettermöglichkeiten. Die Rocklands zählen ebenfalls zu den Cederbergen und befinden sich im Norden des Gebirges.

Die ideale Zeit für die Rocklands ist der afrikanische Winter. Im afrikanischen Sommer (März/April) hat es bis zu 35°C – viel zu heiß, um noch ordentlich klettern zu können.

Für die Rocklands brauch man seit 2014 ebenfalls eine Genehmigung, welche man zum Beispiel online auf der Website von Pakhuys unter diesem Link erhält. Kosten: pro Tag 80 Rand, 1 Woche kostet 260 Rand.

Untergebracht waren wir auf dem Campingplatz de Pakhuys direkt in den Rocklands. Einkaufen und Essen gehen kann man im nahegelegenen Dorf Clanwilliam.

Zum Autor:
Andreas Brunner, 33 Jahre alt, stammt aus Feldthurns in Südtirol. In seiner Freizeit ist er so oft wie möglich in den Bergen unterwegs, egal ob Klettern, Bergsteigen oder Skitourengehen. Nebenher verdient er in der Kletterhalle Vertikale in Brixen als Kletterlehrer das nötige Kleingeld für seine Leidenschaft, das Reisen. Hier geht es zu seinem Blog: www.suedtirolalpin.com