Bergkameradschaft: Von Wesensgleichheit, Lust und Werten
Die vielbeschworene Bergkameradschaft macht einen wesentlichen Bestandteil des Alpinismus aus. Immer wieder kommt sie zur Sprache, wenn Bergsteiger von ihren Erlebnissen und Abenteuern berichten. Zeit zu fragen, warum das eigentlich so ist und was das Wesen der Bergkameradschaft ausmacht.
Eine Kameradschaft ist eng verwandt mit der Freundschaft. Auch sie beruht auf Freiwilligkeit, also auf der freien Wahl der Kameraden. Freunde kann man sich aussuchen, Familie nicht, besagt ein geläufiges Sprichwort – und das stimmt. Freiwilligkeit ist ein wesentliches Charakteristikum von Freundschaft.
Der Begriff „Freund“ stammt übrigens von der indogermanischen Wurzel „fri“ für „lieben“ und „hegen“ ab, umfasst also sinngemäß die klassischen Merkmale einer Freundschaft: Schutz, Beistand, Zuneigung, Wertschätzung. Darüber hinaus zeichnet sie sich durch ihre Beständigkeit aus, was sich im Vertrauen ausdrückt. Ein Freund gibt Halt, macht Mut und spendet Trost. Kein Wunder, dass die Freundschaft in der Philosophie weithin als die edelste Form menschlicher Verbindungen gilt.
Anders als die Freundschaft orientiert sich die Kameradschaft allerdings vorrangig an den verbindenden Gemeinsamkeiten der Kameraden. Während eine Freundschaft zuweilen auch grundverschiedene Menschen zu verbinden vermag, sind die Kameraden vor allem durch ihre gemeinsamen Interessen und Leidenschaften zu einer Art Schicksalsgemeinschaft verschworen.
Werte, Lust und Wesensgleichheit
Für Aristoteles hat die Freundschaft „Werte und Lust zum Ziel und beruht auf Wesensgleichheit.“ In der Bergkameradschaft drücken sich „Lust“ und „Wesensgleichheit“ in der Freude an der gemeinsamen Sache aus, während die „Werte“ sicherstellen, dass man sich im richtigen Moment voll und ganz auf den Kameraden verlassen kann.
Beide Seiten des aristotelischen Freundschaftsbegriffs sind wesentlich für die Bergkameradschaft: Geteilte Leidenschaft für die Berge einerseits („Lust“ und „Wesensgleichheit“), Verlässlichkeit und Vertrauen in brenzligen Situationen andererseits („Werte“). Auch Ausnahme-Kletterer David Lama definiert gemeinsame Unternehmungen am Berg als Projekt, das „von ähnlichen Vorstellungen über Routen, Taktik und Risikobereitschaft“ lebt.
Das Einende der Kameradschaft ist ihr entscheidender Kern. Wo extreme Situationen am Berg innerste Charakterzüge schonungslos nach außen kehren, muss die zwischenmenschliche Verbundenheit ungebrochen bleiben. Denn auch das macht die Kameradschaft besonders: Das Teilen von Erlebnissen, ob positiver oder negativer Natur.
Sie hat nämlich, wie auch die Freundschaft, eine Zauberkraft: Was man teilt, potenziert sich ins Positive. Teilt man Niederlagen mit Kameraden, werden sie kleiner, teilt man Freude, wird sie größer. Es ist ein bisschen wie Magie. Und davon kann man auch – und gerade – am Berg nie genug haben.
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