Der Mann, der aus Faulheit das Skitourengehen revolutionierte
Foto: Dynafit
von Sissi Pärsch
Fritz Barthel hat vor 31 Jahren „aus Faulheit“ die PIN-Bindung erfunden und revolutionierte damit den Skitourenmarkt. Gemeinsam mit dem kanadischen Freerider Eric „Hoji“ Hjorleifson hat er jetzt für Dynafit einen „aufstiegs- und abfahrtsorientierten“ Tourenskischuh entwickelt – und wird von der Szene schon vorab dafür gefeiert. Sissi Pärsch hat mit Fritz Barthel gesprochen.
Fritz Barthel ist einer der schlagfertigsten, kreativsten und faulsten Köpfe der Sportindustrie. In den 80ern macht er als junger Maschinenbaustudent nach einem Kletterurlaub spontan Halt am Mont Blanc, um dort „noch schnell hochzuspuren“. Als er kurz vor Sonnenuntergang auf Europas höchstem Gipfel steht, ist er schwer genervt von der gewichtigen Ausrüstung.
Nach dem frustrierenden Geschleppe entwickelt Barthel – getreu dem Motto „Faulheit ist die Grundlage des Fortschritts“ – eine Bindungstechnologie, die alles leichter macht. Der PIN-Bindung – die ohne Platte und Rahmen auskommt und dafür vorne zwei Zapfen einsetzt – verleiht der Ironie-Meister Barthel den passenden Namen: „Low-Tech“ (statt High-Tech). Ab 1989 produziert Dynafit sein System, das inzwischen von jeder Skitouren-Marke ‚neu interpretiert‘ wird.
Knapp 30 Jahre später nistet sich dann der Profi-Freerider und Dynafit-Fahrer Eric „Hoji“ Hjorleifson bei Barthel in Kufstein ein. Gemeinsam beginnen sie die Arbeit an einem neuen Schuhmodell. Hoji, der Abfahrer, und Fritz, der faule Aufsteiger. Der Hoji Pro Tour kommt in der Saison 2018/19 auf den Markt und hat soeben den ISPO Gold Award gewonnen.
Der Clou: Dank eines speziellen Verschlusssystems werden Schaft und Schale eine Einheit. Mit nur einem Griff verriegelt man das innenliegende System, schiebt zwei Keile links und rechts der Ferse zusammen und macht so aus einem flexiblen Aufstiegsschuh einen steifen Abfahrtsschuh.
Video:
„Pants Down“: Fritz Barthel demonstriert das Einstellen des Hoji Boots.
Externer Inhalt
Bitte akzeptiere die Marketing-Cookies, um diesen Inhalt zu sehen.
Sissi Pärsch: Fritz, wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Hoji, der eigentlich in Whistler (British Columbia/Kanada, Anm.) lebt?
Fritz Barthel: Der Hoji hat schon seit Jahren Kontakt zu Dynafit und bei der Schuhentwicklung bereits ein wenig mitgeredet. Ich habe ihn mal bei einem Meeting auf der Sulzfluhhütte im Rätikon kennengelernt – da ist es übrigens wunderschön. Wir kamen ins Reden. Ich wusste ja gar nicht, wer er ist. Aber nett war er. Ein paar Tage später stand er dann plötzlich bei mir im Keller. Er kam von einem Schuhmacher in Italien, hatte eine Idee und wusste nicht, wie er sie umsetzen sollte. Irgendjemand hat ihm gesagt: „Geh halt zum Fritz“. Das hat er gemacht und er ist geblieben.
Er hat sich bei dir eingenistet?
Er hat sich schwer verliebt in meine Fräsmaschine. Das ist ein konventionelles Ding, uralt, aber so mechanisches 'Klumpert' hat eine hohe Anziehungskraft auf ihn. Ich habe ihm gezeigt, wie man etwas neu macht, wenn man eine Idee hat und es die passenden Teile dazu einfach noch nicht gibt. Skizzen fertigen, Fräsen, Drehen. Also ist er geblieben und hat alles gefräst, was ihm zwischen die Finger kam. Das ging vier Wochen so. Dann kam er immer wieder und jetzt haben wir den Schuh.
Du hast mal über deine Bastelei gemeint: „1 Prozent ist Inspiration und 99 Prozent sind Transpiration.“ War das wieder so?
Mit Hoji war es etwas anders. Ich bin sonst überhaupt kein Team-Arbeiter – ich bin Bindungsfabrikant mit schwerster Bindungsphobie. Aber mit Hoji habe ich mich gut ergänzt. Er hat keinen akademischen Hintergrund, aber ungemein viel Gefühl und eine fast autistische Konzentrationsfähigkeit. Wir haben immer so eine Gaudi, wir können uns so abhauen.
Ansonsten hat Hoji nicht so viel transpiriert wie probiert – nämlich alle Biersorten, die es zwischen Zillertal und Tegernsee gibt. Das hat ihn bei der Arbeit aber nicht beeinträchtigt, muss man dazu sagen: Er hat isländische Wurzeln und dadurch eine sehr hohe Alkoholtoleranz.
Was war beim Hoji Pro Tour die Zielsetzung?
In einem Anfall von Hybris wollten wir von Anfang an beides in einem Schuh unterbringen: Aufstiegskomfort und Abfahrtsperformance. Hoji ist Freerider, der kann nix brauchen, was wackelt. Und die Schuh-Fudlerei am Gipfel, das zipft mich schon seit Jahrzehnten an.
Jetzt, vier Jahre später hat der Hoji Pro Tour einen ISPO Award gewonnen und kommt nächste Saison in die Läden. Wie stolz seid Ihr?
Ich muss sagen, ich bin ein ungemein schlechter Verkäufer. Ich bin eher einer, der sagt: „Mei, schau mal hier und da – also ich würde noch warten, kauf es lieber nicht.“ Aber hinter dem Schuh stehe sogar ich. Der hat was. Du kannst die Hosen unten lassen und mit nur einem Griff den Schuh einlocken – oder halt am besten ganz ohne Hände nur mit dem Fuß. Das heißt, du kannst die Hosen den ganzen Tag unten lassen. Keep your pants down, nenn ich das. Mei, wir haben echt viel Gaudi.
Du bist von der Bindung aufgestiegen und hast erstmals einen Schuh entworfen. War das ein großer Schritt für Dich?
Ach, Schmarrn, das ist ja keine Rocket-Science. Da eine Schraube, dort eine Schnalle, noch ein Schleiferl und dann ist das mehr oder weniger fertig.
Und wieso heißt der Schuh Hoji? Dass er nicht Friji heißen kann, leuchtet ein, weil es da ja eine Konkurrenzmarke ähnlichen Namens gibt. Aber vielleicht Froji?
Mei, weißt ja eh: immer bedeckt halten. Nein, die Idee kam ganz allein von Hoji. Ich bin nur der Assistent, die Hilfskraft.
- Berg & Freizeit
7 Dinge, die uns auf der ISPO 2018 gefallen haben
- Alpinwissen
Sicher unterwegs am Berg
- Berg & Freizeit
Video: Sicheres Abfahren im Gelände
- Berg & Freizeit
Königliche Aussichten: Ammergauer Alpen
- AnzeigeAlpinwissen
Wie finde ich die richtige Skitourenbindung?
- AnzeigeAlpinwissen
Das Radical 88 Skitouren-Set von Dynafit