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Eine Wanderung der Höhepunkte mit Peter Habeler

Aktuelles

5 Min.

22.06.2021

Foto: Bergwelten

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von Isabelle Obergasser

Auf Müll- und Spurensuche: Gemeinsam mit Extrembergsteiger Peter Habeler wandern wir im Rahmen der Aktion „Saubere Berge“ des Österreichischen Alpenvereins zum Habsburghaus (1.786 m) auf dem Rax-Hochplateu – und damit gleichzeitig in Peters Vergangenheit.

Fotogen und fit wie eh und je spaziert uns der 79-jährige Peter Habeler mit einer kleinen Schickheitsverspätung und seinem charismatischen Lächeln auf den Lippen entgegen. Auf ihn haben wir gewartet, denn er ist der Star des Abends – oder besser gesagt der ganzen zwei Tage, die wir gemeinsam verbringen werden. Ihn kennenzulernen, ist für viele einer der Höhepunkte dieser Wanderung.

Wieso aber Star? Bergfexe wissen es, für alle anderen schafft eine kurze Google-Abfrage Abhilfe. Ein Blick zurück ins Jahr 1978, genauer gesagt zum 8. Mai um die Mittagszeit herum, bringt uns zu einem geschichtsträchtigen Moment, welchen Peter Habeler und seinen Bergkumpanen Reinhold Messner schlagartig berühmt machte. Gemeinsam erklimmen sie als erste Menschen die Spitze der Welt, den Mount Everest (8.848 m), ohne künstlichen Sauerstoff. Da ist es klar, dass dieser bereiste und bewanderte Mann viele spannende Geschichten und einige Witze zu erzählen hat, denen wir gespannt lauschen.

Doch wir sind nicht nur hier, um an Peter Habelers Lippen zu hängen. Unsere Wanderung hat einen bestimmten und wichtigen Zweck. Im Rahmen der Aktion „Saubere Berge“ laden der Österreichische Alpenverein und Almdudler einmal im Jahr zum gemeinschaftlichen Wandern und Müllsammeln. Heuer führt uns unser Weg aufs Rax-Hochplateu zum Habsburghaus, der „Akropolis der Rax“, wo wir eine Nacht verbringen werden.

Am Ausgangspunkt unserer Wanderung, dem Parkplatz Preiner Gscheid, bekommen wir, ganz im Motto der Aktion, Müllsäcke in die Hand gedrückt und dürfen direkt loslegen. Am Anfang geht der Weg gemächlich hinauf, da fällt es leicht, sich auf das Müllsammeln zu konzentrieren. Ein Zigarettenstummel dort, ein Taschentuch hier – auf den ersten Blick scheint es nicht viel. Doch diese vermeintlich kleinen Zeugen von menschlicher Anwesenheit haben über die Jahre gesehen einen großen Einfluss auf das empfindliche Ökosystem des Bergraums.

Für „Saubere Berge“ seit über 50 Jahren

Die Aktion „Saubere Berge“ des Österreichischen Alpenvereins gibt es bereits seit 1970, Extrembergsteiger Peter Habeler ist seit mehr als 10 Jahren ihr Schirmherr. Es geht nicht nur darum, ein Bewusstsein für die Natur zu schaffen, sondern auch um das Berichtigen von falschen Annahmen. Wer zum Beispiel denkt, dass eine Bananenschale gedankenlos liegen gelassen werden kann, weil es sich dabei um Bio-Müll handelt, der liegt falsch. Eine tropische Bananenschale braucht tatsächlich bis zu drei Jahre, um als Humus wieder in den Kreislauf zu gelangen. Dabei sind es im speziellen aber nicht nur die Bio-Abfälle, die Sorge bereiten. Besonders Plastik-Verpackungen können einen verheerenden Schaden anrichten.

„Abfall ist ein allgegenwärtiges Problem, das Bergregionen auf allen Kontinenten betrifft“, erklärt uns Matthias Jurek, Program Manager des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) und ebenfalls Teilnehmer dieser Wanderung. Eine globale Umfrage aus dem Jahr 2021 unter 1750 Bergbegeisterten aus 74 Ländern hat ergeben, dass mehr als zwei Drittel der Befragten jedes Mal bzw. in den meisten Fällen Müll entdecken, wenn sie in den Bergen unterwegs sind. 78 Prozent von ihnen haben sogar schon einmal Müll entdeckt, der im Zusammenhang mit COVID-19 steht – wie zum Beispiel Masken. Die teils giftigen Materialen legen einen weiten Weg zurück, der in vielen Fällen in Gewässern oder im Boden endet.

Tatsächlich machen 88 Prozent des Mülls auf den Bergen harte Plastikverpackungen aus. Bio-Müll, wie etwa besagte Bananenschale, rangiert mit 77 Prozent kurz dahinter. Wie es scheint, sind die Berge Ablageplatz für alles Mögliche: von Papiermüll (68%) über Glasflaschen (56%), bis hin zu synthetischen Fasern (39%), wie sie besonders in Outdoor-Kleidung zu finden sind.

Wenn man mit Peter Habeler über dieses Thema spricht, während man durch schöne Berglandschaften wandert, merkt man an seiner Begeisterung und der gleichzeitigen Ehrfurcht, wie wichtig es ihm ist. Und es gibt für ihn einen Dreh- und Angelpunkt: die eigene Achtsamkeit. „Wenn wir von sauberen Bergen reden, geht es nicht um Perfektion. Ich verwende immer gerne das Wort Achtsamkeit. Man sollte stets achtsam durch das Leben gehen und dankbar sein für die schönen Geschenke, welche uns die Natur täglich macht. Den eigenen Müll vom Berg wieder mit ins Tal zu nehmen, tut niemandem weh und macht am Ende den großen Unterschied“, meint der Schirmherr der Aktion.

Während wir so gehen und seinen Erzählungen lauschen, tut sich vor uns ein weiterer Höhepunkt auf: die Schönheit der Rax. Eine gigantische Felswand ragt in den blauen Himmel, ihr zu Füßen ein Meer aus bunten Berg-Blumen und grünen Wiesen. Die Gegend hier verzaubert uns alle mit einem Schlag und hat auch für Peter eine besondere, persönliche Bedeutung: „Früher ist mein Vater in dieser Gegend sehr viel gewandert und, dass ich jetzt zum ersten Mal hier wandere, ist etwas ganz Besonderes für mich“, erzählt er. Dass wir den 79-Jährigen, der eigentlich schon fast alle ersten Male hinter sich hat, dabei begleiten und mit ihm auf den Spuren seines Vaters gehen dürfen, ist schon eine kleine große Ehre.

Die anregenden Gespräche verstummen auch nicht, als wir den berühmt berüchtigten Schlangenweg hinauf wandern. Im Zickzack, von links nach rechts führt uns der steile Weg in der brütend heißen Nachmittagssonne bis zum Karl-Ludwig-Haus (1.804 m). Dort heißt es erstmal: verschnaufen und Wasser tanken! Denn der Weg ist noch nicht ganz geschafft. Wenn man von hier aus in die Ferne blickt, kann man schemenhaft das Habsburghaus erkennen, wie es alleine vor einem atemberaubenden Panorama thront. Von hier aus sind es noch gute 45 bis 50 Minuten bis zum wohlverdienten Abendessen.

Während wir alle dankbar für eine Pause sind, kitzelt es Peter derweil schon wieder in den Füßen und er schreitet schnellen und frohen Schrittes voraus. Da kommt die Frage auf, was diesem bald 80-jährigen Mann noch etwas anhaben kann, wenn nicht einmal steile Wege in der Hitze seine Laune trüben. Wir wandern also weiter und tänzeln auf der Grenze zwischen den Bundesländern Niederösterreich und Steiermark, welche die Rax (2.007 m) geografisch trennt. Die schroffe und felsige Vorderseite der Rax weicht auf ihrem Rücken sanfteren, grünen Wiesen, kleinen Bäumen und Latschen so weit das Auge reicht.

 

Das Ziel ist erreicht

Den steilsten Part der Tour haben wir auf alle Fälle hinter uns, jetzt geht es fast eben zu unserem Zielort: Dem Habsburghaus. Auf ihrer Website wirbt die stattliche Schutzhütte mit den rot-weiß-roten Fensterläden mit dem Slogan „Wo die Welt noch in Ordnung ist“ – und irgendwie stimmt das auch. Als wir ankommen, stellt sich das Bergglück sofort ein und wie könnte es auch nicht – vom Habsburghaus bietet sich ein fast schon malerischer Ausblick auf die steirische Gebirgslandschaft. Der knurrende Magen zwingt uns aber dann doch, die Augen für eine gute Stunde vom Panorama abzuwenden.

Die schöne Schutzhütte wartet mit allerlei traditionellen Leckereien auf, sogar für Veganer ist eine kleine Auswahl dabei. Hüttenwirt Roli freut unser Besuch besonders, denn auch er ist ein heimlicher Haberle-Fan. Er und sein Team sorgen dafür, dass es uns an nichts fehlt und so geht es im Anschluss mit vollem Magen und lächelnden Gesichtern an den nächsten Höhepunkt des heutigen Tages: die Unterzeichnung des „Manifest der Sauberen Berge“. Ein zeremonieller Akt, welcher die Ernsthaftigkeit des Themas noch nachdrücklich demonstrieren und ein weiteres Jahr an Engagement für die Sauberkeit der Alpen garantieren soll.

Dann bietet sich uns aber noch ein vierter und letzter Höhepunkt dieses gelungenen Tages, welchen uns Gerhard Schilling, der Geschäftsführer von Almdudler, bereits bei der ersten Lagebesprechung am Parkplatz versprochen hat: den Sonnenuntergang. Und am Ende kommen wir alle zum Schluss, dass er wirklich nicht übertrieben hat. Wie am Meer verabschiedet sich die Sonne als roter Feuerball mit einem bunten Farbenspiel hinter den Gipfelspitzen und Peter sagt sehr treffend in die Runde: „Was will man mehr?“ Da können wir ihm nur zustimmen.