Balme - Erstes Bergsteigerdorf in den Westalpen
Foto: Gianni Castagneri
von Christina Schwann
Rund 60 Kilometer von Turin im Piemont entfernt, liegt im Val d'Ala auf 1.432 m der kleine Ort Balme. Am Ende des Tales erheben sich die imposanten Gipfeln der Grajischen Alpen, die die Grenze zu Frankreich darstellen. Geprägt von einer langen Berg- und Bergführergeschichte, legt das erste Bergsteigerdorf in den Westalpen besonderes Augenmerk auf seine alpine Kultur, die seit jeher eng mit dem Naturerbe verbunden ist. Eines ist sicher: Balme ist ein faszinierendes Bergsteigerdorf, das die Werte der Initiative bis weit in den Westen trägt.
Von Schmugglern und Bergführern
Liest man die Geschichte von Balme mit seinen Schmugglern und dem Beginn eines ersten Bergtourismus durch Bürgerliche aus den Städten, dann könnte man auch die Geschichte des Bergsteigerdorfes Ginzling vor Augen haben. In beiden Dörfern waren es die Schmuggler, die die Berge wie ihre Westentasche kannten und die schließlich bergaffine Bürgerliche auf die Berge führten. In Balme klingen die Namen dieser Pioniere des Bergsteigens wie Martelli, Vaccarone, Baretti und Barale noch heute nach.
Sogar das Kino entdeckte das Val d'Ala als perfekten Drehort, Künstler ließen sich von der Bergnatur inspirieren und Hotels und Villen entstanden. Ein abruptes Ende des gerade erst aufflammenden Tourismus erlebte das Tal durch den Ausbruch des 2. Weltkrieges. Durch seine versteckte Lage und die Nähe zu Frankreich war Balme in dieser Zeit ein Zufluchtsort für jüdische Familien, entflohene Häftlinge und französische Patisanen.
Die imposantesten Gipfel
Spricht man von den Westalpen, muss man beinahe gleich zu Beginn auf die höchsten Gipfel eingehen. Selbst, wenn man sie nicht erklimmt, so ist doch alleine ihre Anwesenheit und ihre Erhabenheit schon einen Besuch des Tales zu ihren Füssen wert. Rund um Balme sind vor allem jene Berge besonders berühmt, die den Zusatz „Uja” oder „Uia“ im Namen tragen. Das Wort bedeutet „Nadel“, was für viele auch rein optisch äußerst zutreffend ist.
Ciamarella - 3.676 m
Der Normalweg auf die Ciamarella ist trotz Gletscher bei guten Bedingungen relativ leicht. Über den Ostkamm führt aber eine imposante Kletterroute, die zwischen Felspassagen und steilen Schneeflanken wechselt. Höhepunkt ist der spektakuläre Schlusskamm. Auch die Nordwand ist berühmt: Sie besteht aus einem 450 m hohen Gletscherhang, der 50 bis 55 Grad Steigung aufweist.
Bessanese - 3.604 m
Die „Königin der Lanzo-Täler“ und das Symbol von Balme wird über die Gastaldi Hütte und die französische Seite bestiegen. Kletterer werden allerdings vom Rey-Grat oder vom Murari-Grat angezogen - extrem ausgesetzt und sehr luftig.
Uja di Mondrone - 2.964 m
Während die rund 500 m höhe Nordwand von zahlreichen Kletterrouten durchzogen wird, führen auch zwei „Normalwege“ auf den Gipfel: Entweder man startet im Westen in Balme oder erklimmt ihn über die Südseite vom Weiler Molera. Passagen im 1. und 2. Schwierigkeitsgrad sollten dennoch sicher geklettert werden. Bei Nässe oder gar Vereisung ist besondere Vorsicht geboten.
Idyllische Bergseen – moderate Wanderungen
In die Bergwelt rund um Balme betten sich viele große und klein Bergseen. Wanderwege führen zu diesen Seen, verbinden sie miteinander und lassen schöne Rundwege zu.
Aframont-See
Auf fast 2.000 m gelegen, ist der Aframont-See die rund 1:45 h dauernde Wanderung von Balme jedenfalls wert. Zuerst geht es durch Buchenwald und später über mit Almrosen bedeckte Hochalmen aufwärts zum See, der von den Pfeilern des Bec del Fausset eingerahmt wird. Außerdem genießt man einen interessanten Blick zur Uja di Mondrone.
Grüne Seen
Vom Weiler Cornetti folgt man dem Weitwanderweg GTA für rund 2 h, ehe man auf den ersten der beiden Grünen Seen auf 2.142 m trifft. Die Turmspitze der Torre d'Ovarda spiegelt sich in der Wasseroberfläche. Durch Felsblöcke wandert man weiter aufwärts zum Lago Verde Superior auf 2.154 m. Etwas oberhalb des Sees befindet sich ein Biwak, das Platz für 8 Personen bietet und nach Gino Gandolfo und Franco Giuliano benannt ist. Steigt man entlang des Pfades zwischen den beiden Seen zu einem grasbewachsenen Hügel auf, hat man gleich drei Seen im Blick: Die Grünen Seen im Osten und den Paschiet-See im Westen. Auf einem steilen Weg kann man zu diesem absteigen und in einer Runde retour ins Tal gelangen.
Die Gastaldi Hütte
Die Gastaldi Hütte auf 2.659 m ist der ideale Ausgangs- und Übernachtungstützpunkt für die Besteigung vieler imposanter Gipfel oder auch für Rundwege in diesem wunderschönen Gebiet. Zu erreichen ist die Hütte von der Pian della Mussa, einem bekannten Tourismusort. Von hier aus führen viele Wege ins Hochgebirge, zu Kletterrouten in Fels und Eis, aber auch Wanderwege beginnen hier wie beispielsweise zum Ru-See, der auf 2.570 m liegt, zum Rossa-See, in dem bis Ende Juli schwimmende Eisblöcke zu sehen sind, oder zum Mercurin-See auf 2.491 m am Fuße der Uja di Mondrone.
Sehr zu empfehlen ist, ausgehend von der Gastaldi Hütte, die Rundtour zum See von Bessanetto auf 2.939 m am Fuße des gleichnamigen Berges. Die Tour führt weiter zum See Della Rossa auf 2.718 m, an dessen Ufer das Biwak San Camilo steht, und wieder retour zur Gastaldi Hütte.
Weitwanderwege
Gleich mehrere Weitwanderwege führen durch Balme, machen hier Halt oder sind Ausgangspunkt für Rundwanderwege.
Bessanese-Tour
Die Bessanese-Tour führt um die Gipfel Uja di Bessanese (3.604 m), Punta d'Arnas (3.560 m) und das Rote Kreuz (3.566 m). Der höchste Punkt wird am Collerin-Pass mit 3.200 m erreicht. In Summe sind 2.600 Höhenmeter zu bewältigen.
Grenzüberschreitende Route - 3 Etappen, 32 km Weglänge.
Beste Jahreszeit: Anfang Juli bis Mitte September.
Schwierigkeiten: Moderate Wege, aber Höhenlage, Wetter und lange Schneebedeckung müssen beachtet werden.
GTA - Grande Traversata delle Alpi
Die GTA führt von den Lepontinischen Alpen im Norden des Piemont bis ans Meer von Ventimiglia.
Gesamtlänge 1.000 km, 60.000 Höhenmeter auf 65 Etappen.
Beste Jahreszeit: Juli bis September.
Alta Via Valli di Lanzo (AVV)
Die Alta Via Valli die Lanzo verbindet alle Schutzhütten entlang der Lanzo-Täler. Der Weg ist für erfahrene Wanderer und Bergsteiger geeignet. Fortgeschrittene können auch den Rocciamelone überqueren.
Beste Jahreszeit: Mitte Juli bis Mitte September.
Klettern
Bei solch imposanten Bergen spielt Klettern natürlich eine erhebliche Rolle. Es gibt mehrere interessante Klettergärten:
Klettergarten Ginevrè: 70 Einseillängentouren, klassische Schwierigkeitsgrade, 15 min von Balme entfernt.
Klippe von Ginevrè: Dutzend Routen mit 7 bis 10 Seillängen, Grad 4 bis 6a / 6b.
Rocca Venoni: Am Pian della Mussa, Schwierigkeitsgrade bis 8a.
Winter in Balme
Skifahren hat in Balme eine lange Tradition. Schließlich ist Balme der Ort, an dem zum ersten Mal in Italien Ski benutzt wurden. Bereits um 1954 entstanden erste Skilifte. Einer davon, der Skilift Pakinò, wurde kürzlich komplett renoviert.
Aber auch Langläufer kommen hier voll auf ihre Kosten. Die Loipen führen hinauf auf die Pian della Mussa, wo man sich von der winterlichen Kulisse des Hochgebirges verzaubern lassen kann.
Für Schneeschuhwanderer gibt es interessante Rundwanderungen vor den Toren von Balme und Eiskletterer werden von den zahlreichen Eisfällen begeistert sein. Auf der Pian della Mussa etwa findet man einen „Kreis“, der mehr als zwanzig Wasserfälle umfasst.
Fakten: Bergsteigerdorf Balme, Piemont, Italien
Ortschaft: Balme (1.432 m)
Gebirgsgruppen: Grajische Alpen, Cimarella Gruppe
Wichtigste Gipfel: Uia di Ciamarella (3.676 m), Uia di Bessanese (3.604 m), Punta Albaron di Sea (3.262 m), Punta del Crot (3.211 m), Uia di Mondrone (2.910 m), Punta della Sarda (2.389 m)
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