Bergsteigerdörfer Lavin, Guarda und Ardez im Unterengadin
Foto: Dominik Täuber
von Christina Schwann
Mit der Dörfergemeinschaft Lavin, Guarda und Ardez im Unterengadin nahe der österreichischen Grenze tritt nach St. Antönien das zweite Bergsteigerdorf der Schweiz dem erlesenen Kreis jener Dörfer, die auf Naturverbundenheit, Traditionen und Werte setzen, bei. Eingebettet zwischen den weit über 3.000 Meter hohen Gipfeln der Silvretta, wie Piz Linard und Piz Buin, und einem Teil des Schweizerischen Nationalparks im Süden sind die drei Dörfer ideale Ausgangspunkte für Wander- und Bergtouren sowie im Winter für gemütliche Schneeschuhwanderungen oder anspruchsvolle Skitouren.
Lavin, Guarda und Ardez – drei, die sich zusammen getan haben
Alle drei Dörfer liegen im romanisch-sprachigen Unterengadin im Kanton Graubünden in der Schweiz. Im Norden ragt die mächtige Silvretta auf und trennt das Engadin vom Paznauntal in Tirol. Im Süden hingegen sind die Berge etwas sanfter und mit der Seenplatte Macon wurde der einzige Nationalpark der Schweiz, der bereits seit 1914 besteht, im Jahr 2000 um einen wesentlichen Teil erweitert.
Guarda und Ardez gehören seit 2015 zur Gemeinde Scuol, während Lavin zu Zernez gehört. Alle drei liegen aber auf den sonnigen Terrassen oberhalb des Inn, der das Engadin durchfließt. Lavin unterscheidet sich in seiner Architektur und seinem Erscheinungsbild von den andere Gemeinden. Der Grund ist ein verheerendes Feuer von 1869, das fast den gesamten Ort vernichtete. Als Lavin wieder aufgebaut wurde, wurde auf einen größeren Häuserabstand geachtet. In Ardez und Guarda hingegen findet man noch die typischen, mit Sgraffito verzierten Engadiner Häuser und über Ardez thront zudem die Burgruine Steinsberg. Alle drei Dörfer sind gemäß Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz ISOS von nationaler Bedeutung.
In Sachen „Bergsteigerdörfer“ haben sich die drei Orte, obwohl politisch zu unterschiedlichen Gemeinden gehörend, ebenfalls zusammengetan und mit Erfolg die strengen Aufnahmekriterien erfüllt. Seit Mitte August 2021 gehören sie nun zum erlesenen Kreis der Bergsteigerdörfer.
Einzigartiges Mikroklima und artenreiche Bergwiesen
In kaum einem Tal der Alpen fällt so wenig Niederschlag, wie im Unterengadin. Es gehört zu den innenalpinen Trockentälern, die Jahresniederschlagsmenge beträgt im Schnitt nur 690 Liter. Die Wiesen müssen bewässert werden, um ausreichend Heu für den Winter produzieren zu können.
Die Landwirtschaft ist aber durch und durch biologisch geprägt und je weiter man nach oben kommt, desto extensiver wird bewirtschaftet. Das Ergebnis sind außerordentlich artenreiche Bergwiesen mit Arnika, Männertreu, Feuerlilie, Türkenbund und verschiedenen Knabenkräutern, die die Wiesen in schönster Blumenpracht erstrahlen lasse.
Wettervorhersagen für das Engadin sind allerdings äußerst schwierig. Das Tal liegt im Einflussbereich von gleich mehreren Wetterzonen und daher muss man sowohl den Wetterbericht für den Süden, als auch jenen für den Osten und das Engadin selbst im Auge behalten.
Wanderungen und Bergtouren
Das Engadin wird im Norden durch die Silvretta und im Süden durch einen Teil des Schweizerischen Nationalparks begrenzt. Der höchste Gipfel im Gebiet ist der formschöne Piz Linard mit 3.411 Metern im Norden von Lavin, gefolgt vom Piz Buin mit 3.312 m, der bereits Grenzberg zu Österreich ist. Ein gut markiertes Wanderwegenetz führt durch die Berge, Schutzhütten bieten Einkehr und Unterkunft und die Gipfel sind so aussichtsreich, dass man sich am Panorama kaum sattsehen kann.
Im Süden befindet sich mit der Seenplatte von Macun bereits ein Teil des Schweizerischen Nationalparks, der für seine Ursprünglichkeit und Schönheit weithin bekannt ist.
Die Berghütten
Wanderwege führen hinauf zu alpinen Schutzhütten, wie etwa der Chamonna dal Linard am Fusse des Piz Linard unweit der wunderschönen Glimsseen, zur Chamonna Tuoi unterhalb des mächtigen Piz Buin oder zur Selbstversorgerhütte Chamonna Cler, die einen fantastischen Blick auf die „Engadiner Dolomiten“ zulässt.
Chamanna dal Linard
Tuoihütte
Chamanna Cler ab Guarda
Gemütliche Wanderungen
Wer es gemütlich angehen möchte und viel von der bergbäuerlichen Tradition und den architektonischen Besonderheiten des Unterengadins sehen möchte, dem seien die Höhenwanderungen entlang der Dörferlinie zwischen Lavin, Guarda und Ardez sehr empfohlen. Wer hier unterwegs ist, begeht übrigens gleichzeitig einen Teil der sechstägigen Via Engiadina, die bis nach Vinadi führt.
Von Lavin nach Guarda
Von Guarda nach Ardez
Um Geschichte und Tradition des Unterengadins besser zu verstehen, sollte man den Schellen-Ursli-Weg keinesfalls auslassen. Er erzählt die Geschichte rund um den Brauch des Chalandamarz, mit dem der Winter mit Glocken ausgeläutet und der nahende Frühling begrüßt wird.
Schellen-Ursli-Rundwanderung ab Guarda
Lange, anspruchsvolle Bergtouren
Bei so viel Berg sind lange Touren keine Seltenheit. Wer Ausdauer und Trittsicherheit mitbringt, wird ausgehend von den drei Orten Lavin, Guarda und Ardez viele aussichtsreiche Gipfel besteigen können. Beispielsweise den Piz Linard, für den es etwas Klettererfahrung, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit braucht. Leichter aber lange ist die Tour über die Chamonna dal Linard zur Fuorcla da Glims.
Mehrtägig sollte man auch die grenzüberschreitenden Touren auf der Silvretta Historica anlegen – etwa über den Futschölpass zur Jamtalhütte, die bereits auf Österreichischem Boden liegt. Prähistorische Funde legen Zeugnis davon ab, dass schon vor über 10.000 Jahren Menschen auf diesen alten Pfaden unterwegs waren.
Chamanna dal Linard - Fuorcla da Glims - Val Saglians
Touren im Schweizerischen Nationalpark
Eine wirklich tolle, aber auch recht anspruchsvolle und vor allem lange Wanderung führt über die Seenplatte von Macun und den Gipfel des Munt Baseliga. Der Schweizerische Nationalpark ist nicht nur der einzige der Schweiz, sondern auch das älteste und das am besten geschützte Wildnisgebiet der Alpen. Er wurde bereits 1914 ins Leben gerufen mit dem Ziel, Teile der Schweizer Gebirgswelt in ihrem ursprünglichen Zustand zu belassen, um vielen weiteren Generation die Schönheit der Natur näher zu bringen sowie seltenen Tier- und Pflanzenarten einen Rückzugsort zu geben. Es ist sehr schön zu sehen, dass dieser Gedanke nicht verjährt ist und im Jahr 2000 ein weiterer Teil zum Nationalpark dazu gekommen ist – nämlich die Seenplatte von Macun.
Über den Munt Baselgia zur Seeplatte von Macun
Wer mehrere Tage am Stück wandern möchte, dem seien die Nationalpark-Wanderwege sehr empfohlen – ob 6 Tage, 9 Tage oder nur 3 Tage, sie alle führen in die schönsten Gebiete des Schweizerischen Nationalparks.
Der Schweizerische Nationalpark
Fantastische Mountainbiketouren
Nicht nur Wandern und Bergsteigen sind im Unterengadin möglich, es bietet sich auch fantastische, aussichtsreiche Mountainbiketouren an.
Kurz aber aussichtsreich sind die Touren Runda da Munt d'Ardez oder die Schellen-Ursli-Runde.
Runda da Munt d'Ardez
Schellen-Ursli Runde
Winter im Unterengadin
Legt sich im Winter eine Schneedecke über das Unterengadin, dann werden die langen Schatten der flach einfallenden Sonne besonders deutlich und zeichnen – wie ein Sgraffito auf den alten Engadiner Häusern – interessante Malereien in den Schnee.
Die sonnigen Hänge eigenen sich wunderbar für ausgedehnte Winterwanderungen oder Schneeschuhtouren, bei denen man die Ruhe des winterlichen Tales in vollen Zügen genießen kann.
Auch Skitouren sind im Unterengadin möglich, verlangen aber viel Erfahrung und eine fundierte Kenntnis der Lawinensituation. Lokale Bergführer und Bergführerinnen stehen bereit, um sicher auf die Gipfel zu führen und das Lawinenbulletin – die App WhiteRisk des Schweizerischen Schnee- & Lawinenforschungsinstituts (SLF) – ist praktisch ein Muss für alle, die abseits der Piste unterwegs sind.
Fakten: Bergsteigerdörfer Lavin, Guarda und Ardez, Unterengadin, Schweiz
- Ortschaften: Lavin, Guarda, Ardez
- Gebirgsgruppe: Silvretta
- Wichtigste Gipfel: Piz Linard (3.411 m), Piz Buin (3.312 m), Verstanclahorn (3.297 m), Silvrettahorn (3.243 m), Piz Sagliains (3.201 m), Plattenhörner (3.200 m), Piz Nuna (3.124 m), Piz Macun (2.888 m)
Links:
- Berg & Freizeit
Bergsteigerdörfer – Wo die Alpen noch ursprünglich sind
- Berg & Freizeit
Wo Zeit neu definiert wird: Das Bergsteigerdorf St. Antönien
- Berg & Freizeit
Im ältesten Nationalpark der Alpen
- Berg & Freizeit
Die Bergsteigerdörfer im Portrait
- Berg & Freizeit
Wo Zeit neu definiert wird: Das Bergsteigerdorf St. Antönien