Auf den Spuren der Trans-Provence
Foto: Matthias Knaus
Unter Mountainbikern ist die Trans-Provence legendär. Wer sich abseits des extremen Endurorennens auf die Trails der französischen Seealpen begibt, hat mehr Zeit für die einzigartige Landschaft. Matthias Knaus hat es mit einer Gruppe befreundeter Bike-Pros ausprobiert.
Vor einigen Jahren hat mich ein Freund auf die Trans-Provence aufmerksam gemacht. Schon nach der ersten Ausgabe galt das mehrtägige Endurorennen als eines der weltweit härtesten – und es setzt jährlich neue Maßstäbe. Kein Wunder, die Trails verlangen einem wirklich einiges ab, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Sie sind größtenteils felsig, ausgesetzt und lang. (Wer sich ein besseres Bild davon machen möchte, googelt am besten mal nach „Trans-Provence“.)
Die Trans-Provence in Fakten klingt nicht minder beeindruckend: Einmal im Jahr werden die französischen Seealpen (Alpes-Maritimes) durchquert – dabei gilt es in sechs Tagen rund 300 km, rund 9.000 Höhenmeter und rund 18.000 Tiefenmeter zu bewältigen. Die Route führt aus der Haute-Provence im Nordwesten zur Côte d'Azur nach Südosten , aber die eine Trans-Provence im Sinne einer konstanten Route vom Start- zum Zielort gibt es nicht. Stattdessen werden – ganz im Stil einer professionellen Enduro-Veranstaltung – Transferstrecken und Special Stages (das sind die für das Rennergebnis relevanten Abfahrten) Jahr für Jahr neu konzipiert. Gleich bleiben nur manche Übernachtungspunkte und Zielorte – dazwischen ändert die Strecke stets ihren Verlauf.
Ein wildes Bike-Abenteuer
Um rennmäßig an der Trans-Provence teilnehmen zu können, braucht es viel Glück: gerade einmal 50 bis 60 Amateure werden jährlich zugelassen. Mein vorrangiges Trans-Provence-Ziel war es aber ohnehin, die Landschaft der Seealpen kennenzulernen. Als Bergsteiger und Kletterer interessierte mich diese Gegend schon seit längerem – warum nicht mal eine unbekannte Landschaft mit dem Bike erkunden? Die Reisegeschwindigkeit ist dafür perfekt!
Die erste Woche war abenteuerlich. Es gibt im Internet zwar jede Menge Trans-Provence-Berichte, aber kaum Informationen zu Streckenführung und Wegverhältnissen. Das ist kein Zufall – Enduro-Strecken sollen im Idealfall geheim bleiben. So muss man die Dinge eben nehmen, wie sie sich ergeben. Ehrlich gesagt, bin ich sogar ganz froh darüber. Auf diese Weise erlebt man ein in Europa einzigartiges Bike-Abenteuer inmitten einer wilden, sehr ursprünglichen Landschaft. Man genießt Wegefreiheit (der Nationalpark Mercantour ist dabei ausgenommen) und kann auf ein beinahe unüberschaubares Wegenetz zurückgreifen. Die Wege in den Seealpen sind speziell: Es gibt zwar ausreichend Markierungen, trotzdem muss man manchmal ganz schön genau hinschauen, da aufgrund der geringen Begehungsfrequenz viele Abschnitte verwachsen sind. Während einer Bikewoche trifft man oft nur auf eine Handvoll Wanderer. An die Etappen der „Grand Randonées“ (Weitwanderwege) angepasste Unterkünfte ermöglichen ein unkompliziertes Nächtigen, ganz ohne Hotelcharakter. Und die Küche… Hmmm!
In der Bilderstrecke, sind einige meiner Eindrücke festgehalten:
Wenn mich am Ende meiner ersten Trans-Provence jemand fragt, was mir am besten gefallen hat, entstehen ganz viele Bilder vor meinen Augen. Mir gefiel der freundliche Hirte mit seinem gepflegten Schnurrbart in einem Meer aus Schafen. Ich mochte es, mein Bike nach oben zu schieben und zu tragen, mit der Neugierde und Freude in mir, oben anzukommen und den nächsten Streckenabschnitt einzusehen. Ich hatte Schiss, als wir von Hirtenhunden verfolgt wurden und konnte anschließend mit meinen Freunden darüber lachen, wie schnell man doch mit abgesenktem Satten treten kann.
Ich freute mich auch jedes Mal am Abend unverletzt anzukommen und mich in den gemütlichen Unterkünften zu entspannen. In Erinnerung werden mir auch die goldbraunen Gräser bleiben, die im Gegenlicht der Herbstsonne strahlend leuchteten. Die kalten, letzten Kilometer jenes regnerischen Nachmittags, das stilvolle Café an der Landstraße, die verwitterte, für die Region typische graue Erde, die tiefen, canyonartigen Schluchten und unsere Fahrt auf den Balkonen darüber. Der erste Blick aufs Meer auf der Schlussetappe und das Gefühl vor der letzten langen Abfahrt nach Menton.
Hinweise und Infos
Eine einwöchige Trans-Provence-Tour erfordert Kraft und Kondition zur Bewältigung von bis zu 1.900 Höhenmetern Aufstieg und bis zu 3.300 Tiefenmetern pro Tag. Die Schwierigkeit der Wege entspricht S3 laut Singletrail-Skala. Erfahrung auf Wanderwegen und im alpinen Gelände (Trittsicherheit!) sowie Übung im Umgang mit Trage- und Schiebepassagen sind obligatorisch.
Um diese einzigartige Strecke genießen zu können empfiehlt sich gute Vorbereitung, ein gut gewartetes Bike (mindestens 140 mm, besser 160 mm Federweg) sowie Gepäcktransport und Unterstützung durch ein Shuttlefahrzeug. Entlang der gesamten Strecke gibt es keine Bikeshops. Wer sich sämtliche Logistikprobleme wie Gepäcktransport und Shuttles vom Hals schaffen will, kann auf geführte Reisen zurückgreifen.
Link: www.trans-provence.com
Meine schönsten Trans-Provence-Touren
1. Die 100-Einwohner-Ortschaft ist ein idyllischer Stützpunkt für tolle Trails.
Sauze No.1 - Abfahrt nach Guillaumes
2. Abfahrt durch eine wunderbare Landschaft - in Sauze wird Gastfreundschaft großgeschrieben.
Sauze No.2 - Abfahrt zur Pont de Paniès
3. Variante 3 der Touren ab Sauze dauert circa 2:30 h.
Sauze No.3 - Abfahrt zur Pont des Roberts
4. Fahrtechnisch anspruchsvolle Rundtour mit Ausblick bis ans Meer.
Forêt de l'Albaréa/Cuore
5. Die „Balkone“ garantieren tolle Tiefenblicke in den Canyon Gorges du Cians.
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