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Das härteste Freeride-Rennen der Welt

Aktuelles

3 Min.

04.03.2018

Normalerweise hält sich das Pitztal in Tirol gut hinter seinen Dreitausendern versteckt. Ein Mal im Jahr aber versammeln sich hier die „wildesten Hunde“ der Freeride-Szene. Eine Reportage über das härteste Freeride-Rennen der Welt und eine Familie, die man sich merken sollte.

Es gibt Normalsterbliche und es gibt Freerider. Und unter den Freeridern gibt es eine kleine Sparte, die im Pitztal nur „wilde Hund‘“ genannt wird. Diese „wilden Hunde“ versammeln sich ein Mal im Jahr am Mittagskogel (3.159 m) im Tiroler Pitztal, dem Austragungsort des Pitztal Wilde Face. „Es ist das härteste Rennen, das man als Freerider fahren kann“, sagt Philipp Eiter über das Wild Face. Er muss es wissen: Gemeinsam mit seinem Cousin Raphael Eiter organisiert er das Rennen, das vom 8. bis 11. März bereits zum neunten Mal stattfindet – und das es in dieser Form kein zweites Mal gibt.


1.600 Höhenmeter in knapp 7 Minuten

Das Besondere am Wild Face ist das Zusammenspiel dreier Komponenten: Länge, Höhenunterschied und Zeit. Knapp 5 Kilometer Länge und eine Falllinie von 1.600 Höhenmetern gilt es in möglichst kurzer Zeit abzufahren. Und jetzt sollte man sich hinsetzen oder zumindest festhalten. Die Bestzeit aus dem Vorjahr liegt bei 6 Minuten 58, der Rekord liegt bei 6 Minuten 20 und wurde 2015 gefahren.

Sechs Minuten Achtundfünfzig. Normalsterbliche brauchen für die Abfahrt eine gute Stunde. Durchschnittlich fahren die „wilden Hund‘“ mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h den Berg hinunter. Für Schwünge bleibt da keine Zeit. Es wird Schuss gefahren. Konsequent.

„Das Wilde Face ist komplett einzigartig, weil es rein auf Zeit geht“, sagt Helmut Eiter, der Vater von Philipp. Er hat den Hexenkessl im Pitztal aufgebaut, eine Institution im Tal, die auch Austragungsort der Wild Face-After-Party ist. Nur am Rande sei erwähnt, dass diese Party genauso hart sein soll wie das Rennen. Auch hier hat es „scho’ Abstürze gegeben“, lacht Helmut.

Anders als bei der Freeride World Tour – für die das Wild Face als Qualifier-Event übrigens zwei Sterne bringt ­– sind Eleganz und Stil irrelevant. Was zählt ist die Uhr. Und zwar nur die Uhr. 120 Freerider treten im Schnitt zum Qualifikationsrennen im Vorfeld an, 65 von ihnen werden in weiterer Folge zum Wild Face zugelassen.


Mit Sicherheit zur Hochgeschwindigkeit

Ein weiteres Mitglied der Familie Eiter meldet sich zu Wort: Wer „unten schon in die Knie geht“, ist der strengen Auslese des Gipfels nicht gewachsen, meint Alfred „Fredl“ Eiter. Der wiederum ist der Onkel von Philipp und Raphael und seines Zeichens als Mitglied der Lawinenkommission an der Organisation des Wild Face beteiligt. Als solches obliegt ihm – gemeinsam mit anderen Experten – die Entscheidung, ob das Rennen stattfinden kann oder nicht.

Auch die Streckenbesichtigung ist wesentlicher Bestandteil der Sicherheitsvorkehrungen. Wie ist es um die Verhältnisse im Gelände bestellt? Kann das Rennen am Mittagskogel stattfinden oder muss auf die Qualifikationsstrecke ausgewichen werden? Es gilt die Strecke so sicher als möglich zu gestalten, immerhin wird sie mit Hochgeschwindigkeit hinuntergebrettert.  

„Wir müssen das Rennen verantworten können“, sagt auch Raphael Eiter. Er ist Bergführer in vierter Generation und hat das Wild Face mit seinem Cousin Philipp ins Leben gerufen. Und wer es bis dato noch nicht bemerkt haben sollte: Es handelt sich bei diesem Rennen um eine ziemlich geballte Familienangelegenheit. Ein weiteres Eiter-Mitglied gibt zu Protokoll: „Wir Eiters sind eben ziemlich verrückte Teufel“. Es ist vielleicht das originellste Exemplar des Eiter-Clans: Ernst „Schmatz“ Eiter, ein weiterer Onkel von Philipp und Raphael.


Nummer 1 auf Lebenszeit

Er hat sich beim Wild Face die Startnummer Eins auf Lebenszeit gesichert. Als Bergführer macht das Sinn: Schmatz bildet die Vorhut, auch wenn von Jahr zu Jahr „eine Minute drauf kommt“, wie er beklagt. „Ich spür’ es scho’ brutal in die Haxn“, sagt das Pitztaler Original, das über die letzten 30 Jahre schon 1.000 Mal vom Mittagskogel abgefahren sein will. „Zum Teil bin ich drei Mal am Tag gefahren und meine Bestzeiten lagen auch unter vier Minuten“.

Der Mittagskogel hält die „wilden Hund‘“ in seinem Bann gefangen. Da sind sich alle Eiters einig. „Der Mittagskogel ist der Berg hier im Tal. Ja, vielleicht sogar in den ganzen Ostalpen“, schwärmt Schmatz. Hätte dieser Berg ein Eigenschaftswort, es wäre: außergewöhnlich. Nicht umsonst wird sein Hang „Wild Face“ genannt.

1.600 Höhenmeter Falllinie, schön kupiertes Gelände, kaum ein Flachstück – und von ganz oben bis ganz unten aus dem Tal einsehbar. „Der Mittagskogel ist immer ein Berg für die guten Freerider gewesen“, erzählt Raphael. Lange bevor sich das Freeriden zum Boom entwickelt hat, tobten sich hier bereits die einheimischen „wilden Hunde“ aus. Und abends im Hexenkessl wurde dann mit Bestzeiten geprahlt. Eine Idee ward geboren.


Von Harakiri und Bestzeiten

„Wir wollten am gleichen Tag bei gleichen Verhältnissen dieselbe Strecke fahren, um am Ende zu wissen, wer jetzt wirklich der Schnellste war“, erinnert sich Philipp an die Entstehung des Rennens. Harakiri und zu gefährlich sei es, meldeten sich damals skeptische Stimmen zu Wort. Der Gegenwind war groß. Aber die Familie Eiter stand fest hinter Philipp und Raphael. Überzeugt von der Idee, begeistert von der Einzigartigkeit des Rennens.

Mittlerweile ist das Wild Face aus dem Pitztal nicht mehr wegzudenken. Bald werden die „wilden Hund‘“ wieder in Lichtgeschwindigkeit den Mittagskogel hinunterschnellen. Mit Schmatz als Startnummer Eins. Und womöglich: Einer neuen Bestzeit.

Weitere Informationen: Pitztal Wild Face


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