High-Tech für die Tonne
Foto: Martin Kreil
von Harald Nachförg
Das „Beste“ in Sachen Ausrüstung führt nicht immer zum Seelenfrieden. Warum unser Autor heute nicht mehr mehrere Millionen Lire für Bergschuhe hinblättern würde.
Ich kann nichts dafür, ich bin erblich vorbelastet. Schon mein guter Vater entschied sich bei allem, was er kaufte, nur für das Beste. Das galt für simple Dinge wie einen Gurkenhobel ebenso wie für anspruchsvollere, etwa einen Fernseher.
„Das Beste!“, sagte er von jedem Stück stolz nach dem Auspacken – und damit war die Sache für ihn auch schon wieder erledigt. Denn dass der Gurkenhobel mit 48 Schneideeinlagen, mit denen du Gitter, Spiralen, Girlanden und Konfetti aus allen Gemüse- und Obstsorten der Welt fitzeln konntest, ein Glumpert war, ärgerte ja nur meine Mutter. Und dass er die Glotze angesichts hunderter Knöpfe auf der Fernbedienung nicht einmal einschalten konnte, störte ihn auch nicht. Ist nämlich eh das Beste für die Augen.
Gern erinnere ich mich auch daran, wie er am Parkplatz vorm Baumarkt (es galt, die beste Wasserwaage zu erstehen) die einmalige Gelegenheit nutzte, einem fahrenden Händler noch schnell einen Anzug abzukaufen. Direkt aus dem Kofferraum heraus und natürlich ohne Anprobe. Der Mann hatte es schließlich eilig, allerdings geschworen, dass der Nadelstreif vom Besten sei. Das war einer der wenigen Fälle, in denen mein Vater diese Meinung nicht teilen konnte. Freilich erst, als wir den zipferten Zweiteiler, der höchstwahrscheinlich aus Asbestfasern bestand, auf der Sondermülldeponie entsorgen mussten.
Aber ich schweife ab. Was ich sagen wollte: Ich bin meines Vaters Sohn. Und natürlich greif auch ich instinktiv nur zum Besten. Meine Bergschuhe zum Beispiel: 1a! Also die neuen. Die alten waren, das muss ich zugeben, nur die teuersten. Ich hab sie in einem Sportgeschäft in Meran ersteigert, in dem ein schlauer Verkäufer den Umstand ausnutzte, dass zwei Halbschuhtouristen am selben, nur mehr einmal vorrätigen Modell zerrten. Besoffen vom Anblick der Dolomiten in der Abendsonne, wollte ich am nächsten Tag die Marmolata besteigen und blätterte so viele (damals noch) Millionen Lire hin, dass ich schließlich den Zuschlag bekam.
Auf einem Berg war ich mit den tonnenschweren Tretern freilich nie. Und es war sogar gut, dass ich sie nur im Flachen trug. Denn schon bald lösten sich auf einer Tour rund um den Neusiedler See beide Sohlen gleichzeitig ab. Im Fels hätte man mich abseilen müssen, so genügte ein Tretboot-Fahrer, der mich ans andere Ufer brachte, damit ich nicht in Socken zurück zum Auto platteln musste.
Seit diesem Vorfall begnüge ich mich immer öfter mit dem Zweitbesten. Auch weil das nicht jeder gleich haben will – so wie meine Jacke damals in Nicaragua. Ich besuchte dort eine Freundin, und weil wir einige Ausflüge in den Dschungel geplant hatten, leistete ich mir ein Outdoor-Blouson, mit dem du im ewigen Eis ebenso überleben konntest wie in der Wüste und das sich sogar als Schlafsack, Zelt und aufgeblasen als Boot nutzen ließ. Kurz gesagt, es war die beste Jacke der Welt.
Meine Freundin stapfte neben mir in einer milchig-weißen PVC-Pelerine von Tchibo durch den Regenwald, der übrigens völlig zu Recht so heißt, weil es schon nach wenigen Schritten so zu schütten anfing, dass wir bis auf die Knochen nass waren. Genauer gesagt: ich. Als Gentleman hatte ich ihren begehrlichen Blick nämlich absolut richtig gedeutet und mit ihr schon nach den ersten Tropfen Jacken getauscht.
Sie sah in meiner verwegen aus wie Roald Amundsen. Ich in ihrem Umhang wie ein nervös flatterndes Gespenst. Die paar Einheimischen, die mit ihren Macheten halbnackt unter mächtigen Palmenblättern das Unwetter abwarteten, schauderte es jedenfalls gewaltig – so wie sie mich anstarrten.
Zum Autor: Der geborene Wiener Harald Nachförg ist Textchef beim Monatsmagazin Servus in Stadt & Land, Buchautor („Alles bestens“) und seit über 50 Jahren auf der Suche nach dem rechten Weg.
- Haralds Kolumne könnt ihr regelmäßig im Bergwelten Magazin lesen.
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