Unterwegs mit Stolperstöcken
Foto: Martin Kreil
von Harald Nachförg
Schon die Einstellung verlangt Nerven und wer beim Gehen nicht einfädelt raubt Fuchs und Hase den Schlaf. Warum Wanderstöcke unseren Autor aus dem Gleichgewicht brachten.
Jetzt Wanderstöcke. Also diese Teleskopstecken oder wie die Dinger heißen. Vor gar nicht allzu langer Zeit – ich glaub, 1999 kamen die ersten auf den Markt – sind sie keinem Menschen abgegangen, heute braucht sie offenbar jeder. Hab ich mir halt auch welche gekauft. Und ich muss sagen: WAS. FÜR. EIN. GLUMPERT!
Schon die Einstellung der Länge verlangt Nerven. Erst recht, wenn einem die Geliebte auch noch mit Fragen wie „Hast du eh die Gebrauchsanweisung gelesen?“ zur Seite steht. Hallo! Bei einem Stecken?! „Brauch ich nicht“, sagte ich nur knapp, zog das zweiteilige Teleskoprohr auseinander und fixierte es bei 130 Zentimetern.
Was möglicherweise ein Haucherl zu hoch gegriffen war. Nach einem leichten Trab zum Wirtshaus kam mir nämlich vor, mir würden beide Arme abfallen, und so durfte Madame doch noch aus dem Beipacktext zitieren. „Die falsche Stocklänge kann zu Muskelverspannungen führen“, las sie glücklich vor.
Okay, also zammschieben, das Graffl. „Bei deiner Größe auf 110 Zentimeter“, sprach Frau Neunmalklug, und ich hätte ihr auch gehorcht, wenn sich nicht das „praktische Ein-Klipp-System“ ganz unpraktisch verklemmt hätte. Es dauerte daher nicht lang, bis zwei mehrfach verbogene Stangln im Altmetallcontainer landeten.
„Müssen Montagsmodelle gewesen sein!“, sage ich zur Geliebten, um mir bald nach dem kleinen Wutanfall ein neues Paar zu holen. Diesmal studierte ich sogar die Betriebsanleitung. Die Stöcke werden nah am Körper geführt, stand da.
Ja gut, aber wie nah? Ich zum Beispiel trete zwar durchaus elegant auf, hab aber zwei leicht nach außen geneigte Füße. Man darf sagen, ich watschle. Da fädelst du schnell ein, wenn der Stock nahe am Körper geführt wird. Und wenn du auch noch mit der Hand in einer Schlaufe gefangen bist, drehst du dich bald nach rechts oder links um die Stange wie ein Go-go-Girl.
Zum Gaudium diverser Pensionistengruppen, die ihre Stecken natürlich unsachgemäß schlaff hinter sich herschleiften, gab ich grandiose Vorstellungen im Wald, die ich, sobald ich wieder auf den Beinen war, stets mit einer tiefen Verbeugung beendete. Man dankt schließlich für Applaus.
Apropos Wald: Weiß der Kuckuck warum, aber meine Hightech-Stöcke sogar auf weichem Boden KLACK, KLACK, KLACK … trotz Gummipuffer bitte! Peinlich! Und was du da alles aufscheuchst! Ging’s ausnahmsweise flott voran, konnte es vorkommen, dass nicht nur Fuchs und Hase vor mir herrannten, sondern ein wildes Knäuel an Tieren, in dem sich Hirsche, Wildschweine und Mäuse ebenso erkennen ließen wie Eichkätzchen, Kröten und ein paar Kreuzottern. Mitunter flog sogar die eine oder andere Eule voraus. Hätte es lichterloh gebrannt, die Viecher wären cooler geblieben. Aber KLACK, KLACK, KLACK …
So gesehen durchaus verständlich, dass mir dieser Jäger ein paar Empfehlungen mit auf den Weg gab, die sich hier nicht wiedergeben lassen. Ich war ihm nicht einmal böse und nahm die Sache sportlich. Vor seinen Augen stand plötzlich ein anmutiger Speerwerfer, der zwei Teleskopstöcke, oder wie die Dinger genau heißen, in hohem Bogen ins Dickicht schleuderte.
Ich geh jetzt wieder wie früher wandern. Die Hände lässig in der Hosentasche. Und weil ich mich nicht mit irgendwelchen Gehhilfen ärgern muss, pfeif ich manchmal sogar vor lauter Glück.
Zum Autor: Harald Nachförg, geboren 1961 in Wien, ist Kolumnist, Autor und leidenschaftlicher Wanderer mit leichtem Hang zum Fehltritt. Seine Kolumne „Abwärts mit Nachförg“ erscheint seit 2015 regelmäßig im Bergwelten-Magazin, wo er mit viel Witz und Freude erzählt, worüber er so stolpert auf seinem Weg zum Gipfel.
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