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Morgengrauen im Matratzenlager

Menschen

3 Min.

02.02.2017

Foto: Martin Kreil

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von Harald Nachförg

Mit einer Mordswut entschlummert, aber zu müde für die Morgenhygiene. Warum das Übernachten in Hütten für unseren Autor zu den größten Strafen zählt.

Ich lag unter einer blau karierten Tuchent, die zwar hübsch aussah, allerdings nach feuchtem Hund roch und vor allem zu kurz war. Selbst Stoiker können da schnell nervös werden. Erst recht, wenn einem kalt ist. Zog ich die Decke nach oben, froren die Beine ein. Hatte ich sie bibbernd wieder runtergestrampelt, bildete sich am Brustkorb eine dünne Eisschicht. Um eine halbwegs gleiche Körpertemperatur herzustellen, riss ich die Tuchent so lange rauf und runter, bis mir die Sicherungen durchbrannten und ich mit meinem Taschenfeitl laut fluchend aufs Bettzeug einstach.

Hab ich natürlich nicht gemacht. Ich war viel zu müde für Action und versuchte lieber, mit dem Zählen von Wassertropfen in den ersehnten Schlaf zu fallen. Man muss dazu wissen, dass der Aufstieg zur Hütte sehr regnerisch war und mein Gewand nun waschelnass in meiner kalten Kammer hing.

Kurz und gut, bei 998 hatte sich bereits ein kleiner Tümpel gebildet, bei 1.580 fielen mir endlich die Augen zu, und bei etwa 1.584 standen sie auch schon wieder sperrangelweit offen. Schon einmal Handyempfang am Berg gehabt, wenn Sie ihn dringend gebraucht hätten? Eben! Aber will Madame ein spätes Gutenachtbussi schicken und ein bissl plaudern … DIDERINGDINGDING. Auf die Diskussion, warum ich „Bussi zurück!“ mehr geschrien als gehaucht habe, ließ ich mich nicht mehr ein, schwor mir aber in einem feierlichen Selbstgespräch, nie, nie wieder auf einer Hütte zu übernachten. Nicht einmal im Einzelzimmer.

Matratzenlager kommt für mich sowieso nicht infrage. Mit einer Kleingruppe schlafen gehen, nein, danke. Ist ja ärger als am Schulskikurs. Womöglich schaut der Wirt noch nach, ob um Punkt 22 Uhr das Licht abgedreht ist und Bettruhe herrscht.

Wobei Bettruhe! Schnarchen doch alle außer mir. Dann gibt’s auch immer einen mit Schlafapnoe, mit diesen kurzen Atemaussetzern. Da bin ich besonders sensibel. Weil wenn jemand neben mir schwer atmet, krieg ich keine Luft. Ganz automatisch. Und apropos ersticken: Natürlich wirkt sich auch jede Bohnensuppe aus.

Wie soll ich da zur Ruhe kommen? Ich hab ja schon genug mit mir zu tun. Bei Überanstrengung zum Beispiel neigt mein Körper zu unkontrollierbaren Muskelzuckungen. Wenn es mich dann im Bett horrorfilmartig herumschleudert und mir auch noch schaurige Schreie des Entsetzens entweichen weil ich wieder einmal träume, in eine Felsspalte zu fallen – was glauben Sie, was da für ein Tumult entsteht?

Darum also Einzelzimmer. Aber, wie gesagt: Ist um nichts besser. Wäschetrockner, Fernseher, Kachelofen – gibt’s ja alles nicht. Nicht einmal ein Waschbecken, geschweige denn eine Dusche. Und ist das super? Fürs Waschen und Zähneputzen anstellen? In einer Warteschlange, die so lange ist, wie wenn ein neuer Harry-Potter- Roman zum Verkauf steht? Noch dazu im Morgengrauen?! Aber bitte, es springen ja alle zur selben Zeit aus den Federn. Auch Lemminge, die erst vor fünf Minuten eingeschlafen sind. Nur, was sollst du anders tun bei dem Lärm am Gang und einer zu kurzen Decke?

Und komme mir jetzt keiner mit dem schlauen Tipp, erst einmal aufs Klo zu gehen. Vorm Örtchen spielt sich’s ja genauso ab. Und das ist noch viel schlimmer. In jeder Hinsicht. Angenommen, es pressiert, vor dir sind aber noch zwölf dran. Na, halleluja! Was aber nicht heißt, dass du entspannter bist, wenn zwölf auf dich warten.

Und auch darum reicht’s mir jetzt mit dem Übernachten in Hütten. Leute, nennt mich König, aber ich beanspruche den Thron für mich allein.

Zum Autor: Harald Nachförg, geboren 1961 in Wien, ist Kolumnist, Autor und leidenschaftlicher Wanderer mit leichtem Hang zum Fehltritt. Seine Kolumne „Abwärts mit Nachförg“ erscheint seit 2015 regelmäßig im Bergwelten-Magazin, wo er mit viel Witz und Freude erzählt, worüber er so stolpert auf seinem Weg zum Gipfel.


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