Gipfeltag der Furtenbach-Expedition
Foto: Christina Geyer
von Christina Geyer
Vor knapp einer Woche hat die Expedition von Furtenbach Adventures den Gipfel des Mount Everest erreicht. Nicht alle hatten solch ein Glück: Der höchste Berg der Welt hat auch heuer wieder seine Todesopfer gefordert. Insgesamt 6 Bergsteiger sind ums Leben gekommen. Im letzten Teil unseres Interviews erzählt Expeditionsleiter Lukas Furtenbach vom Gipfeltag.
Bergwelten: Wie war die Besteigung? Habt ihr es alle auf den Gipfel des Mount Everest geschafft?
Lukas Furtenbach: Ein Teilnehmer unserer Expedition musste wegen akuter Erfrierungsgefahr vor dem Südsattel umdrehen. Ansonsten haben wir es alle auf den Gipfel geschafft. Zunächst sind wir ohne besondere Ereignisse ins Lager 2 aufgestiegen, am nächsten Tag bei Gluthitze in der Lhotseflanke weiter in unser Lager 3. Hier haben wir das erste Mal gelitten, denn es war einfach zu heiß. In der Nacht und vor allem am nächsten Morgen dann ein saukalter Sturm. Wir sind dennoch in der Früh los Richtung Camp 4 am Südsattel auf 8.000 m. Dort sind wir am frühen Nachmittag im Sturm angekommen. Am nächsten Tag hat sich dieser leider noch nicht wie vorhergesagt gelegt gehabt und so standen wir vor der Entscheidung: Abstieg oder 24 h auf 8.000 m ausharren und abwarten. Wir entschieden uns abzuwarten. Das Schlimmste war die Nacht: Eiskalt und unendlich lange. Am nächsten Morgen hatte sich die Situation aber immerhin gebessert. Und so planten wir unseren Aufbruch für 19:00.
Was macht man einen ganzen Tag lang auf 8.000 m?
Nicht viel. Ein wenig am Südsattel herumspazieren, Essen runterwürgen und sich zum Trinken zwingen. Irgendwann war es dann soweit. Inzwischen waren ganz schön viele Leute hier. Gleich um 19:00 startete die große Indian Army Expedition, der wir eigentlich aus dem Weg gehen wollten, weil sie langsam und unerfahren war. Letztlich hielten sie alle anderen auf und kamen auch nicht auf die Idee, schnellere Teams überholen zu lassen. Mich hat dieses Team ziemlich geärgert und auch zum Umdenken bewegt. Mittlerweile meine ich, dass es in irgendeiner Form Zugangsbeschränkungen am Everest geben sollte. Teams wie die Indian Army Expedition gefährden alle anderen Gipfelaspiranten und haben auf diesem Berg nichts verloren.
„Mittlerweile meine ich, dass es in irgendeiner Form Zugangsbeschränkungen am Everest geben sollte.“
„Würde endlich nach einheitlichen Standards gearbeitet werden, gäbe es keine Low-Budget-Anbieter mehr. Und damit garantiert weniger Tote.“
Beim Abstieg kam es dann zum Stau am schmalen Grat, weil immer noch viele im Aufstieg waren. Der Wind hatte inzwischen noch weiter zugenommen: In Kombination mit der Kälte waren es durch den Windchill-Effekt gefühlte -60 Grad. Gegen Mittag waren wir wieder zurück am Südsattel. Nach einer kurzen Rast sind wir noch weiter bis zum Lager 2 abgestiegen. Wie wir später erfahren haben gab es an diesem Tag noch eine Rettungsaktion, weil ein erschöpfter Bergsteiger allein am Berg zurückgelassen wurde. Zur gleichen Zeit stürzte gegenüber in der Gipfelrinne am Lhotse ein junger Sherpa in den Tod.
Wie viele Bergsteiger waren am Everest unterwegs?
An unserem Gipfeltag kamen die Aspiranten von zwei Tagen zusammen. Alle, die den Gipfel wie wir schon am 18. machen wollten, mussten ihren Vorstoß wegen des Windes auf den 19. legen. Somit ist schon einiges an Leuten zusammengekommen. Ungefähr 80 Bergsteiger und etwa 100 Sherpas waren an diesem Tag am Mount Everest unterwegs. Auf jeden Fall viel zu viele für einen Tag.
Im dritten Teil unseres Interviews hast du gesagt, dass jeder Mensch, der vom Everest träumt, auch die Gelegenheit haben sollte, sich diesen Traum zu erfüllen. Hat die Expedition zum Gipfel ein Umdenken bei dir angestoßen?
Ich sage nach wie vor, dass jeder, der vom Everest träumt, auch die Möglichkeit haben sollte, ihn zu besteigen. Allerdings sind die richtige Vorbereitung, ein gewisses Maß an Erfahrung, technisches Können und mentale Bereitschaft dafür unumstößliche Voraussetzung. Fakt ist nämlich, dass langsame, unerfahrene Bergsteiger am Everest sich selbst und nicht zuletzt auch andere gefährden. Das muss mittelfristig in irgendeiner Form verhindert werden – etwa über Zugangsbeschränkungen. Ich denke, dass sich die Anzahl an Todesfällen dadurch reduzieren ließe. Ich bin daher für die Einführung eines Regulativs, an das sich alle Expeditionsveranstalter halten müssen. Würde endlich nach einheitlichen Standards gearbeitet werden, gäbe es keine Low-Budget-Anbieter mehr. Und damit garantiert weniger Tote.
Wann habt ihr den Gipfel des Mount Everest erreicht? Ist alles gut gegangen?
Wir haben den Gipfel um 6:30 erreicht. Der Wind und damit auch die Gefahr von Erfrierungen nahmen stetig zu. Aber die Nachtstimmung war genial: Es war fast Vollmond und in der Ferne konnten wir ein Wetterleuchten beobachten. Der Hillary Step war eingeschneit und eigentlich nur zum Stapfen. Am Gipfel war es dann eiskalt, aber auch wunderschön. Man kann tatsächlich die Erdkrümmung erkennen.
Was macht für dich den Kern des Alpinismus aus?
Den Kern des Alpinismus machen für mich Selbstbestimmtheit und Eigenverantwortung aus; Freiheit – mit einem Wort. Ich kann selbst entscheiden, was ich wann und wie tue, welches Risiko ich eingehe und was für mich richtig ist. Solange dabei niemand gefährdet wird. Es stößt mir auf, wenn sich Menschen als alpinmoralische Instanz inszenieren und anderen diese Freiheit absprechen wollen.
Woher rührt der innige Wunsch, in lebensfeindliche Sphären jenseits der 8.000 Meter-Marke zu dringen?
Vielfach hört man von Bergsteigern, sie stiegen auf hohe Berge, um sich selbst zu finden. Ich meine: Man findet in der sogenannten Todeszone vieles, aber sicher nicht sich selbst. Ich denke vielmehr, dass der Wunsch angesichts unserer überreglementierten Gesellschaft Ausdruck eines archaischen Verlangens nach Selbstbestimmtheit, Freiheit und Abenteuer ist.
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