Sind hohe Berge auch die schwierigsten?
Foto: mauritius images / Gerhard Wild
von Christina Geyer
Hohe Berge haben so etwas an sich. Etliche wollen auf ihnen stehen und sich mit einem Gipfelfoto brüsten. Da darf man schon einmal fragen, warum das eigentlich so ist. Sind die hohen Berge wirklich auch die schwierigsten?
Die höchsten Berge des Alpenraums haben eine magische (fast schon magnetische) Wirkung auf ambitionierte Bergsteiger. Während die höchsten Berge der Welt, also jene Erhebungen über 8.000 m, allein schon aufgrund ihrer Höhe mit ganz anderen Herausforderungen aufwarten, stellt sich bei den höchsten europäischen Bergen schon die Frage, ob sie allein aufgrund ihrer Höhe auch schwierig sein müssen.
Eine Spurensuche
Es ist so eine Sache mit der Klassifizierung von Bergen, denn die lassen sich in der Regel gar nicht so leicht einteilen und kategorisieren. Für Georg Rothwangl vom Österreichischen Alpenverein ist der Fall klar: „Bergsteigen ist (noch) eine Männerdomäne – und Männer stehen halt sowas von auf Messen, Längenvergleiche, Zahlen und Statistiken.“
Zurechnung und Schwierigkeit folgen aber keiner genauen Definition. Insbesondere Grenzberge stiften Verwirrung, wenn es darum geht, Superlativen festzulegen. Ein Beispiel: Mit 2.995 m ist eigentlich der Dachstein der höchste Berg der Steiermark. Aber: Er liegt eben nicht nur in der Steiermark, sondern auch in Oberösterreich. Geht es nun also darum, die höchste geteilte Erhebung zu definieren oder jene, die zur Gänze in einem Bundesland allein liegt? Dann nämlich wäre die Hochwildstelle (2.747 m) der höchste Berg der Steiermark.
Damit jedoch nicht genug. Auch die Beurteilung von Schwierigkeit und Beanspruchung unterliegt keinem exakten Berechnungsmuster. Ist die technische Schwierigkeit gemeint? Der Schwierigkeitsgrad der kniffligsten Stelle? Die Gesamtschwierigkeit? Die Dauer der Tour?
Allein in Österreich gibt es knapp 700 Berge mit einer Höhe von über 3.000 m, davon übrigens 573 in Tirol. Es ist nahezu unmöglich, eine solche Vielzahl an Bergen chronologisch nach Schwierigkeit zu ordnen. Die Popularität eines Gipfels gibt nur wenig Auskunft über seine Schwierigkeit.
Der Großvenediger (3.657 m) etwa ist „nur“ der fünfthöchste Berg Österreichs, aber um ein Vielfaches häufiger bestiegen als die dritthöchste Erhebung, die Weißkugel (3.738 m). Das liegt nun aber weniger an der technischen Machbarkeit als an der Erschließung. Der Großvenediger ist nicht nur leichter zu erreichen als die Weißkugel, er bietet auch gleich drei Hütten als Stützpunkt entlang seiner Aufstiegsroute.
Das Verrückte an den höchsten Bergen, die fälschlicherweise oft im selben Atemzug als die schwierigsten genannt werden, ist, dass „alle hohen Berge relativ einfach zu erreichen sind“, wie Georg Rothwangl erklärt. „Ganz selten ist der Normalweg schwieriger als IV (Schwierigkeitsskala UIAA) – also mit Bergführer für so ziemlich jeden machbar.“
Unser Fazit: Die Höhe eines Berges gibt nicht unbedingt Auskunft über seinen Schwierigkeitsgrad. Auch die Popularität eines Gipfels ist in der Hinsicht wenig aussagekräftig. Oft sind es die versteckten, vielfach unbeachteten Berge wie der Große Törlwieskopf (2.374 m) am Hochkönig in Salzburg oder der Kleine Buchstein (1.990 m) im Gesäuse, die technisch um vieles herausfordernder sein können als die mitunter gut erschlossenen Gipfel mit klingenden Namen.
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