Abenteuer-Roadtrip: Mit Truck und Skiern in den Mittleren Osten
Von Innsbruck in den Iran: 2016 hat Filmer Jonas Abenstein mit Freerider Fabian Lentsch und Freunden einen ganz besonderen Abenteuer-Trip gewagt. Im umgebauten Feuerwehrauto und ohne Vorurteile. Uns schildert er seine Erlebnisse.
Text: Jonas Abenstein
Nachdem ich bereits einmal mit Fabian – seines Zeichens österreichischer Freeride-Pro – im Iran gefilmt hatte, war mir durchaus bewusst, dass der junge Herr ein Faible für verrückte Ideen hat. Im Frühjahr 2015 führte seine ausgeprägte Abenteuerlust dazu, ein ausrangiertes Mercedes-Benz-1113-Feuerwehrauto, Baujahr 1985, zu kaufen. Nicht etwa, um damit gelegentlich bei Oldtimer-Treffen auszufahren. Es sollte in den kommenden Monaten unser „Adventure-Mobil“ werden und uns von Innsbruck aus über den Balkan und die Türkei durch den Mittleren Osten führen. Bis zu Fabis heimlicher Liebe: den Iran.
Doch zunächst waren etliche Stunden in der Werkstatt angesagt – es galt den alten Mercedes vom Kühlergrill bis zum Auspuff auseinanderzunehmen. Mit Hilfe von Fabis Jugendfreund Moggä (Markus Ascher) und Papa Lentsch verpassten wir dem Truck einen komplett neuen Aufbau inklusive Holzofen, und bauten ihn so nach und nach zum ultimativen Reisevehikel um. Acht lange Monate des Herumbastelns und der allgemeinen Planung später war es dann endlich soweit. Anfang Januar 2016 machten wir uns auf den Weg.
Der Plan war, möglichst wenig zu planen. Das sollte uns in Folge die nervenaufreibendsten, aber auch die schönsten Momente unserer Reise in die Winterwelt des Mittleren Ostens bescheren. Einzige wirkliche Vorgabe: Unterwegs sollte natürlich möglichst viel Ski gefahren werden. Ich sollte das Unternehmen filmisch festhalten – während der Reise gesellten sich immer wieder befreundete Freerider und Weggefährten Fabis zu uns. Zusammen waren wir die „Snowmads“.
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Ein leckender Tank und tanzfreudige Türkinnen
Zunächst fehlt es allerdings an Schnee im Balkan. Einzig im Skigebiet Bresowiza im Kosovo finden wir einige Zentimeter befahrbaren Untersatzes, können es allerdings kaum erwarten, uns größeren Aufgaben zu stellen. Die lassen auch nicht lange auf sich warten: Vor dem ersten Stop in der Türkei leckt unser Wassertank. In einem kleinen Dörfchen hilft uns ein Local namens Murat ihn zu reparieren und lädt uns auch noch zum Essen mit seiner Familie ein. Die türkische Gastfreundschaft dürfte wirklich mehr als nur ein Klischee sein. Wir machen uns gestärkt auf den schneestürmischen Weg zum Bergdorf Yaylalar. Bis zur Ankunft müssen wir Halt machen, um Schneeketten aufzuziehen, lernen einige tanzfreudige Türkinnen kennen und füllen unseren Wassertank an einem kleinen Wasserfall. Unsere Abenteurerherzen schlagen Saltos.
Yaylalar ist genau so, wie wir uns die türkische Bergprovinz vor unserem Aufbruch ausgemalt haben. Das kleine Örtchen zählt im Winter gerade mal 16 Einwohner, die wir allesamt kennenlernen und die – im Tausch gegen ein paar Skistunden – wieder eine unglaubliche Gastfreundschaft an den Tag legen. Skitechnisch müssen wir uns leider auf das Fahren im Wald beschränken, da der so einladende Neuschnee mit einer enormen Lawinengefahr verbunden ist. Trotzdem weckt unsere erste kleine Tour Lust auf mehr. Nach unserem ersten selbstgekochten Abendessen im Snowmads-Truck könnte die Stimmung nicht besser sein.
Stimmung ist ein großes Thema auf einem Trip wie dem unseren. Schneemangel, Zeitdruck und die fehlende Möglichkeit, sich einmal zurückzuziehen, können die Nerven der Crew schon mal wirklich strapazieren. Nachdem die Türkei sich uns von ihrer besten Seite gezeigt hat, nehmen wir nun Kurs auf den Iran, den wohl exotischsten Teil unserer Reise.
Im Skigebiet Tarik-darreh nahe Teheran testen wir zum ersten Mal den iranischen Schnee. Man fühlt sich hier ein wenig aus der Zeit gefallen, wurde das Skigebiet – so wie die wenigen anderen im Iran – doch noch auf Wunsch des Schahs und somit vor der Islamischen Revolution 1979 erbaut. Skifahren ist aber nach wie vor beliebt unter den besser situierten Teheranern. Das Riesenland zeigt sich von einer uns unbekannten Seite. Im Anschluss an unseren ersten Skitag werden wir von einer ansässigen Familie zum Essen eingeladen und sind glückselig, als wir unser erstes authentisches iranisches Abendessen – das Nationalgericht Tschelo Kabab – zu uns nehmen dürfen.
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Skifreudiges Teheran
Etwas getrübt wird unsere gute Stimmung, als wir erfahren, dass wir aufgrund einer fehlenden Erlaubnis einige unserer geplanten Ziele nicht anfahren können. Was sich nach einer bürokratischen Schikane anhört, dient in Wirklichkeit aber unserem Schutz als Auswärtige. Diese Sorge bringt man uns im Iran einige Male entgegen, und die können wir im Endeffekt niemandem übel nehmen.
Nichtsdestotrotz finden wir uns bald in der Chelgerd-Region wieder, die etwa 200 Kilometer westlich der drittgrößten Stadt Irans, Isfahan, liegt. Um 4 Uhr morgens, mit 25 Kilo auf und dem ersten Licht im Rücken, begeben wir uns auf einen fünfstündigen Aufstieg. Obwohl es einige Zeit nicht mehr geschneit hat, können wir hier dank Höhe und Frühlingsschnee ein paar nette Lines erhaschen und einige spaßige Sprungschanzen bauen.
Der Weg zurück gestaltet sich langwierig, und wir belohnen uns mit einem Off-Day in Isfahan. Die Stadt mit ihren kleinen Märkten und einer beeindruckenden Moschee ist den Ausflug mehr als wert. Auch hier endet unser Tag mit einigen angenehmen und offenen Gesprächen mit Ortsansässigen, die sich gerne mit uns über den Tourismus, die Gesellschaft und selbst politische Themen unterhalten.
Freeriden auf Sanddünen am Persischen Golf
Nachdem unsere Suche nach einer weniger windigen, dafür etwas schneereicheren Gegend leider keine Früchte trägt, beschließen wir, die Sache anders anzugehen, und versuchen so weit gen Süden wie möglich zu gelangen. An der Nordküste des Persischen Golfs finden wir die Insel Qeshm. Genau das Richtige für ein paar leicht verzweifelte Freerider. Was als ein dreistündiger Detox-Aufenthalt geplant ist, wird zu einem mehrtägigen Sommerurlaub. Die Insel erobert einfach unser Herz: Die Höhlen, Schluchten, Hügel und Täler aus hartem, heißem, lehmigem Untergrund sind absolut sehenswert und erinnern uns ein wenig an „Spines“ in Alaska.
Alaska! Dort, wo man so traumhaft Skifahren kann. Und damit ist auch schon alles klar, wir sind nun mal Skifahrer mit Herz und wir können überall Skifahren. Schon schnallen sich Fabi, Jochen (Mesle) und Moggä ihre Ski an die Füße und gleiten die Queshm Island Sandspines herunter. Skifahren bei 30 Grad mit Meerblick. In diesem Moment wird uns auch wieder bewusst, worum es auf einem Roadtrip eigentlich geht: Um das Gemeinschaftsgefühl, um die Offenheit, neue Leute und Dinge kennenzulernen und darum, mit Erwartungen flexibel umzugehen. Wenn man bereit ist, Kompromisse einzugehen, kommt man früher oder später an sein Ziel.
Zu unserem ultimativen Tiefschneevergnügen sollten wir später auch noch kommen. Auf unserem Heimweg machen wir einen Abstecher nach Georgien. Bisher haben wir uns alle Abfahrten zu Fuß „verdient“, hier geht es dann zum ersten Mal mit dem Heli aufwärts. Das Highlight ist ein 10-tägiges Gletscher-Camp im Nirgendwo bei Mestia nahe der russischen Grenze. In einem fast unberührten Gebiet errichten wir ein Basecamp und erleben Schneestürme, wunderschöne Touren und actionreiche Abfahrten. Ein würdiger Abschluss unserer Abenteuerreise.
Infos und Webadressen
Hier kannst du die während der Reise entstandene Doku „Snowmads – A Journey Towards Eastern Suns“ erwerben.
Trailer