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Ein lokaler Guide über das Geschäft mit dem Trekkingtourismus

Reise

4 Min.

11.06.2016

Foto: Bikesh Rana

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von Christina Geyer

Der Tourismus ist die wichtigste externe Einnahmequelle Nepals. Das Erdbeben von 2015 hat die Branche schwer getroffen – vor allem die lokalen Anbieter. Ein Interview mit dem nepalesischen Trekking-Guide Bikesh Rana über bewusst kundenschädigende Praktiken von Billiganbietern, die kommerzielle Erschließung der Berge und den mitunter harten Alltag in Nepals Tourismus-Industrie.

„Die Dumpingpreise der nepalesischen Billiganbieter werden zulasten der Klienten wieder ausgeglichen – so oder so.“

Vor 3 Jahren habe ich meinen guten Freund Bikesh Rana in Nepal kennengelernt. Seit 20 Jahren schon arbeitet er in der Trekkingbranche, dem wirtschaftlich ertragreichsten Bereich des nepalesischen Tourismus. Angefangen hat Bikesh als Träger („Porter“): Er hat Gepäck, Zelte und Kochutensilien geschleppt – wie so viele andere Nepalesen auch. Dann wurde er Koch, schließlich Trekking- und Kletter-Guide.

2007 folgte der große Schritt: Bikesh hat beschlossen, von nun an als selbstständiger Guide für verschiedene Agenturen zu arbeiten. Das Erdbeben von 2015 hat nicht nur sein Heimatdorf Nawalpur, westlich von Kathmandu, schwer beschädigt, sondern auch die gesamte Trekkingbranche erschüttert. Nach wie vor kämpfen die zahlreichen Agenturen in Kathmandu mit vergleichsweise geringen Buchungszahlen.

Ein Interview über das Geschäft mit den höchsten Bergen der Welt.

Bergwelten: Vor kurzem hat Lukas Furtenbach von Furtenbach Adventures mit seiner Expedition den Mount Everest bestiegen. Gegenüber Bergwelten.com hat er behauptet, dass die „Bösen der Branche“ nepalesische Billiganbieter seien. Deren Guides sollen schlecht ausgebildet sein und im Zweifel würden sie Kunden allein am Berg zurücklassen. Stimmst du überein?
 
Bikesh Rana: Ja, dem stimme ich großteils zu. Allerdings glaube ich nicht, dass Guides ihre Kunden alleine am Berg zurücklassen. Es kann aber durchaus vorkommen, dass Guides unerfahren oder schlecht ausgebildet sind. In Nepal kann jeder die Guide-Prüfung ablegen – auch jene, die noch nie in den Bergen unterwegs waren.
 
Liegt das Problem bei den Anbietern oder den Nachfragenden?
 
Viele Trekkingtouristen richten ihre Reisepläne ausschließlich nach den billigsten Angeboten aus, ohne die tatsächlichen Kosten dahinter zu verstehen. Einige Trekking-Agenturen versuchen dieser Nachfrage zu entsprechen und werben mit unrealistischen Preisen, um andere Firmen unterbieten zu können. Das Problem ist allerdings, dass alles seinen Preis hat. Die nepalesischen Billiganbieter schreiben ihre Verluste dann eben oft über kundenschädigende Praktiken ab, zum Beispiel indem teils unerfahrene Guides zu einem Hungerlohn engagiert werden. Auch an der Qualität der Ausrüstung wird nicht selten gespart. Mittel und Wege gibt es viele.
 
Es heißt auch, dass Helikopter-Einsätze das neue große Geschäft in den Bergen Nepals seien.
 
Das stimmt. In den letzten Jahren ist es verstärkt zu Helikopterbergungen aus oft zweifelhaften Gründen gekommen. Für einige Agenturen scheint es beinahe zur Norm geworden zu sein, ihre Guides zu Helikopterbergungen anzureizen.

Wie profitieren diese Agenturen davon?
 
Es gibt nicht selten Absprachen zwischen Helikopter-Betreibern und Agenturen. Konkret sieht das dann so aus: Wo eine Agentur für einen Helikopter-Einsatz sorgt, fällt ein Teil der Versicherungsleistung als Kommission für die Agentur ab. Das erklärt, warum Evakuierungsflüge immer leichtfertiger angeraten werden. Auch die Flugzeit wird zum Teil absichtlich in die Länge gezogen, um den Preis des Einsatzes weiter in die Höhe zu treiben.
 
Es sind aber sogar noch extremere Fälle bekannt geworden, etwa von Agenturen, die ihre Guides mit der Kontaminierung der bereitgestellten Nahrung beauftragen, um ihre Klienten dann mit akuter Darminfektion ausfliegen lassen zu können. Die Dumpingpreise der nepalesischen Billiganbieter werden zulasten der Klienten wieder ausgeglichen – so oder so. Darüber sollte man sich im Klaren sein, ehe man sich für den billigsten Preis entscheidet.

Kannst du persönlich nachvollziehen, warum so viele Bergsteiger Jahr für Jahr auf die höchsten Berge der Welt wollen?
 

Ja und Nein. Für professionelle Bergsteigen ist es sicher eine Möglichkeit, ihre Leidenschaft mit einer Einkunftsquelle zu verknüpfen und weitere Erfahrungen zu sammeln. Was sogenannte „Klettertouristen“ dazu motiviert, erschließt sich mir weit weniger.
 
Hältst du die Besteigung von 7- und 8000ern mit künstlichen Hilfsmitteln (Sauerstoff, Fixseile, präparierte Routen, Höhenträger) für „Selbstbetrug“, wie Reinhold Messner einmal behauptet hat? Kann man bei all diesen unterstützenden Maßnahmen noch von bergsteigerischer Leistung sprechen?
 
Ich stimme Reinhold Messner da voll und ganz zu. Aus der Sicht eines Bergsteigers gesprochen: Ich kann keine große Leistung darin erkennen, auf einer bereits präpierten Route aufzusteigen und seine Ausrüstung von nepalesischen Sherpas hochschleppen zu lassen.

Hältst du die kommerzielle Erschließung von Nepals Bergen für etwas Positives, etwas Gutes?
 
Die Erschließung unserer Berge vereint gute wie schlechte Aspekte auf sich. Ein großer Teil der nepalesischen Wirtschaft speist sich aus dem Tourismus: Ob über öffentliche Einnahmen – etwa Genehmigungen („Permits“) oder indirekte Steuereinnahmen –, Hotels, Transport-Unternehmen, Fluglinien oder Agenturen. Das Überleben vieler hängt davon ab. Auf der negativen Seite stehen dagegen die Zunahme von Umweltverschmutzung, die sukzessive Vedrängung von traditionellen Lebensweisen und das Entstehen von Abhängigkeiten.

Bereits kleine Kinder betteln entlang populärer Trekkingrouten um Schokolade, Luftballone und Kugelschreiber. Dafür sind auch manche Touristen verantwortlich: Das Verteilen von kleinen Geschenken führt allerdings zu einer undifferenzierten Verknüpfung bei Kindern. Sie sehen in Touristen oft nur noch wandelnde Geschenke-Spender. Es scheint lukrativer zu sein, Trekkinggruppen abzupassen, als in die Schule zu gehen. Ein weiterer negativer Aspekt ist die schnelle Geldmacherei mit miesen Praktiken – siehe Evakuierungsflüge.
 
2013 kam es am Mount Everest zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Sherpas und den Bergsteigern Ueli Steck und Simone Moro. Wie fragil und heikel ist das Verhältnis zwischen nepalesischen Sherpas, den eigentlichen Helden am Berg, und ihren Kunden? Trägt das Gefälle zwischen Leistung und erkauftem Gipfelsieg zu einem generellen Konfliktherd bei?
 
Grundsätzlich gilt: Bei einer Expedition müssen alle zusammenarbeiten, um erfolgreich zu sein. Es ist natürlich problematisch, wenn die gleichermaßen schwierige wie gefährliche Arbeit der Sherpas nicht wertgeschätzt wird und sie herablassend wie Dienstboten behandelt werden. So etwas führt schnell zu Verstimmungen und Ärger im nepalesischen Team.

Das ist auch ein Thema mit manchen ausländischen Gruppenführern, die durch das Geschäft mit dem Trekkingtourismus ins Land gezogen werden. Viele verfügen über weniger Erfahrung und Wissen als lokale Guides. Trotzdem werden deren Anweisungen oftmals über den Erfahrungsschatz der Nepalesen gestellt. Abgesehen davon beginnt eine gute und erfolgreiche Tour aber eigentlich schon beim Veranstalter: Er ist dafür verantwortlich, das Team zusammenzustellen, dieses anständig zu behandeln – und: fair zu bezahlen.


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