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Reise

Camí de Ronda – Weitwandern an der spanischen Costa Brava

• 5. Juli 2021
6 Min. Lesezeit
von Timm Humpfer

Timm Humpfer ist 2018 auf dem Küsten-Weitwanderweg „Camino de Ronda“ durchs Hinterland der Costa Brava gewandert. Hotelburgen und überfüllte Strände hat er dabei weit hinter sich gelassen.

Beim Gedanken an die Costa Brava haben die Meisten furchtbare Bilder im Kopf: überfüllte Strände, betrunkene Urlauber und jede Menge Lärm. Dieses Vorurteil wird bestätigt, als ich das nördliche Ende von Lloret de Mar erreiche. Den folgenden Kilometer lege ich in Höchstgeschwindigkeit zurück, um diesem Grauen schnellstmöglich wieder zu entkommen.

Wie auch immer – angesichts der knapp 200 Kilometer langen Gesamtstrecke war das nur ein kleiner Schönheitsfehler, wenige Kilometer vor dem Ende meiner Weitwanderung. Der „Camí de Ronda“ (span. Caminos de Ronda) ist eine Aneinanderreihung zahlreicher, kleinerer Wege mit einer bewegten Vergangenheit. Von Fischern wurden sie genutzt, um einsame Buchten zu erreichen, von Soldaten und der Küstenwache, um Piraten und später Schmuggler zu bekämpfen. Der Weg führt von Portbou nahe der französischen Grenze im Norden bis nach Blanes, etwa 70 Kilometer vor den Toren der katalanischen Metropole Barcelona, im Süden.

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Wege mit Vergangenheit

Die zweite Etappe führt mich auf rund 20 Kilometern von Llancà in Richtung Cadaqués. Bereits nach wenigen Minuten wird mir klar, dass meine Entscheidung für den Camí de Ronda goldrichtig war. Ich wandere in leichtem Auf und Ab einen aussichtsreichen Küstenpfad entlang. Nach jedem kleinen Anstieg liegt mir die nächste traumhafte Bucht zu Füßen. Die weiße Gischt der Wellen prallt auf schroffe Felsen, in einem gleichmäßigen Rhythmus, der maßgeblich zur Entschleunigung beiträgt. Wer hätte gedacht, dass die Costa Brava – also „wilde Küste“ – so beruhigend wirkt?

Über einen steilen, steinigen Wanderweg verlasse ich Port de Selva hinauf ins Hinterland der Costa Brava und je höher ich komme, desto beeindruckender wird der Blick zurück. Es ist eine der Besonderheiten auf dem Camí de Ronda, dass man immer wieder den zurückgelegten Weg der letzten Stunden und gar Tage sehen kann. Ich wandere nun durch den Naturpark Cap de Creus, am östlichsten Zipfel der iberischen Halbinsel.

Spuren der lang zurückreichenden Besiedlung der Region

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Die Umgebung hat etwas Mystisches und in meinem Kopf spielen sich Filmszenen ab. Sie handeln von Schmugglern, Piraten und sich versteckenden Rebellen im spanischen Bürgerkrieg. Erst viel später sollte ich erfahren was wirklich hinter den zahlreichen Höhlen und seltsam anmutenden, kleinen Steinhäuschen steckt. Diese archäologischen Fundstätten sind der Beweis dafür, dass die karge, felsige Landschaft bereits vor Jahrtausenden bewohnt war. Es handelt sich um sogenannte „Domen“, Megalithanlagen aus der Zeit zwischen 4.400 und 3.600 v. Chr. Sie dienten als Grabstätten, überwiegend für Kollektivbestattungen.

Megalithanlage aus der Zeit zwischen 4.400 und 3.600 v. Chr.

Piraten und Salvador Dalí

Kurz darauf läuft der Abspann in meinem Kopf und die Gegenwart holt mich wieder ein, mit einem spektakulären Tiefblick auf den malerischen Küstenort Cadaqués und das Mittelmeer. Die „weiße Stadt“, wie Cadaqués aufgrund seiner ausschließlich weißen Hausfassaden auch genannt wird, ist einer meiner persönlichen Höhepunkte auf dem Camí de Ronda. Bekannt wurde der Ort vor allem durch seinen weltberühmten Bewohner und größten Fan Salvador Dalí. Durchaus ein wenig surrealistisch kommt mir dann auch der Tagesausklang dieser langen Wanderetappe vor: bei Rotwein und Tapas, zum Rauschen der Wellen, nur wenige Meter entfernt von der Statue des großen Meisters mit dem spitz gezwirbelten Schnurrbart.

 

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Cadaqués, die „weiße Stadt“, ist auch durch Salvador Dalí bekannt

Einige Tage später, nach einem lauen Herbstabend auf der Dachterrasse des schicken Hotels Altahouse, hoch über den verwinkelten und engen Gassen von Begur gelegen, steht eine weitere traumhaft schöne Etappe auf dem Programm. Es geht heute von Begur nach Palamós, auf gut 20 sehr abwechslungsreichen Kilometern. Man verlässt bald den Ort und gelangt zunächst in einen dichten Wald, der als Trainingsrevier für Jagdhunde dient. Ich gebe zu, dass ich etwas erleichtert bin als ich diesen wenig später verlasse und den kleinen Strand von Tamariu erreiche. Hier geht es über eine kurze, unschwierige Kletterstelle über einige Felsen auf den eigentlichen Weg.

Vorbei an Küstendörfern und Buchten

Dieser Weg führt teils schön angelegt, teils sehr naturbelassen, vorbei an einigen der schönsten Buchten und Badeorten der gesamten Costa Brava. Ruhige, versteckte Buchten wie die Cala d'en Roig oder Cala Pedrosa laden zu einer kurzen Rast ein. Das Meer schimmert in kräftigen, türkisgrünen Farbtönen und das Wasser ist glasklar. Der Camí de Ronda führt auf dieser Etappe durch die Küstendörfer Llafranc und Calella de Palafrugell, welche im Sommer sehr beliebte Ausflugsziele der Katalanen und dementsprechend überlaufen sind. In der Nebensaison geht es hier aber sehr beschaulich zu und bei einem leckeren Eis kann man den mediterranen Charme dieser Orte in aller Ruhe auf sich wirken lassen.

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Vor allem in der Nähe der touristischen Orte ist der Weg häufig sehr schön und komfortabel angelegt

Der Weg entfernt sich anschließend etwas von der Küste und verläuft bei Cap Roig durch einen schön angelegten Botanischen Garten, bevor er am feinen, goldfarbenen Sandstrand „Platja del Castell“ wieder zum Meer führt. Die zahlreichen Abschnitte über Sand verlangen den Beinen heute einiges ab. Wenig später ist das heutige Ziel Palamós erreicht und ich lasse einen spannenden Wandertag bei einem Glas Rotwein an der lebhaften Strandpromenade Revue passieren.

Die vorletzte Etappe auf dem Camí de Ronda führt mich von S'Agaró nach Tossa de Mar, stolze 21,5 Kilometer und knapp 600 Höhenmeter. Da kommt es sehr gelegen, dass der Tag auf dem Balkon meines Zimmers im legendären Hostal de la Gavina mit einem ausgiebigen Frühstück beginnt, inklusive Sonnenaufgang über dem Mittelmeer.

Sonnenaufgang auf dem Balkon im Hostal de la Gavina in S'Agaró
Foto: Timm Humpfer
Sonnenaufgang auf dem Balkon im Hostal de la Gavina in S'Agaró

Nachdem ich den Luxus wieder gegen meine Wanderschuhe eingetauscht habe, geht es die ersten Kilometer am Strand entlang, vorbei an kleinen Buchten, die als Postkartenmotive dienen könnten. In Sant Feliu de Guixols angekommen, passiere ich das imposante Kloster und verlasse den Ort wenig später auf einem Forstweg nach Westen. Bei der kleinen Weggabelung „Els Tres“ folge ich der Ausschilderung in Richtung Tossa. Sie schickt mich auf einen lehmigen Pfad, der durch lichten Nadelwald gleichmäßig bergauf führt. Immer wieder eröffnen sich beeindruckende Weitblicke zurück nach Sant Feliu und auf das Meer. Nachdem ich den höchsten Punkt der Etappe auf über 400 Metern erreiche, flacht der Weg merklich ab und wird wieder breiter.

Wandern direkt an der Küste – ein häufiger Genuss auf dem Camí de Ronda
Foto: Timm Humpfer
Wandern direkt an der Küste – ein häufiger Genuss auf dem Camí de Ronda

Steile Zielgerade nach Tossa de Mar

Es geht nun einige Kilometer durch den Bergwald, vorbei an Ruinen alter Befestigungsanlagen. Kurze Zeit später kann ich mein Tagesziel in der Ferne erkennen. Bevor ich allerdings eine der schönsten, historischen Städte der Costa Brava erreiche, wartet noch der unbequemste Abstieg der gesamten Wanderung auf mich. Auf einem steilen und rutschigen Weg geht es über Sand und Schotter hinab. Ich nehme es mit Humor und sehe es als vorgezogenes Abschiedsgeschenk des Camí de Ronda an meine Knie.

Meinen letzten Abend genieße ich im weichen Sand am Strand von Tossa de Mar, mit Blick auf die prächtige Festung, die auf einem kleinen Hügel an dessem Ende thront. Diese Eindrücke werden mir auch die 1.000 Meter Lloret de Mar am nächsten und letzten Tag nicht mehr nehmen können.

Das grüne Dach Kataloniens, kurz vor dem Abstieg nach Tossa de Mar
Foto: Timm Humpfer
Das grüne Dach Kataloniens, kurz vor dem Abstieg nach Tossa de Mar

Der Camí de Ronda hat mir gezeigt, dass die Costa Brava so viel mehr zu bieten hat als nur Bettenburgen und Touristenmassen. Ich bin überrascht von der reichen Geschichte und Kultur der Region, die sich in Klöstern, Burgen, Ruinen und engen Kopfsteinpflastergassen durch verwinkelte Altstädte offenbart. Die unzähligen einsamen Strände und Buchten entlang der Küste lassen die überlaufenen Badestrände der Urlaubsorte vergessen. Auch die Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft der Katalanen, die mir und meiner Wanderung stets mit großem Interesse begegnet sind, hat mich beeindruckt.

Das schreit nach mehr! Ich werde den Camí de Ronda um den Wanderweg GR 92 bis an die südliche Grenze Kataloniens bei Ulldecona verlängern. Auf diese rund 360 „Bonuskilometer“ freue ich mich schon sehr.

Infos und Adressen: Wandern auf dem Camí de Ronda, Spanien (Katalonien)

  • Beste Wanderzeit: Frühjahr und Herbst.
  • Anreise: Am besten mit dem Flugzeug nach Barcelona oder Girona, von dort mit dem Regionalzug weiter nach Portbou.
  • Ankommen: Die Tour kann an jedem beliebigen Etappenziel gestartet oder beendet werden. Es gibt Bus- und Zugverbindungen zwischen den Ortschaften bzw. Girona und Barcelona. Man kann also auch nur einen Teilabschnitt des Camí de Ronda gehen.
  • Unterkünfte: Es gibt Unterkünfte in allen Kategorien, außerhalb der Hauptsaison im Sommer sind die meisten erstaunlich günstig. Besonders empfehlenswert ist das Hotel Alta House in Begur, mit einem schönen Pool und einer Dachterrasse mit einem spektakulären Ausblick über den Ort und die Küste. Ein wahres Erlebnis ist eine Übernachtung im legendären Hostal de la Gavina in S'Agaró. Da die Etappe dorthin sehr kurz ist, hat man ausreichend Zeit den ungewohnten Luxus zu genießen. Das Hotel Molí de l'Escala, im gleichnamigen Ort, bietet eine Nacht in den historischen Mauern einer alten Mühle, mit höchstem Komfort zu überraschend günstigen Preisen.
  • Ausrüstung: Sonnenschutz ist selbst in den „kühleren“ Monaten im Frühling und Herbst ein Muss. Bequeme Wanderschuhe sind nötig, da es teils auch längere Abschnitte über befestigte Straßen geht. Ideal sind Trailrunning-Schuhe. Sehr empfehlenswert ist ein GPS-Gerät oder eine Powerbank für das Handy, da die Wegfindung in manchen Abschnitten etwas gewöhnungsbedürftig ist. Mit gelegentlicher elektronischer Kontrolle vermeidet man unnötige Umwege. Eine leichte Jacke kommt vor allem in den höheren Lagen, wo es häufig vom Meer her windig wird, sehr gelegen.
  • Webseite des Autors: Timm Humpfer Image Art

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