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Mit meinem Sohn Tobias auf dem Eisenerzer Reichenstein

Aktuelles

4 Min.

05.09.2022

Foto: Julian Paschinger

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Kleiner Mann ganz oben: Julian Paschinger hat sich mit seinem 13 Monate alten Sohn auf eine zweitägige Wanderung in den Ennstaler Alpen (Steiermark) aufgemacht. So ist es den beiden ergangen.

Mit einem mulmigen Gefühl gehe ich auf die Schlüsselstelle meiner Route zu, die sogenannte „Stiagn“ (Stiege). Habe ich mich übernommen? Ist die Wanderung zu gefährlich mit Kleinkind? Mein 13 Monate alter Sohn Tobias hinter mir in der Kraxe hat diese Sorgen nicht. Zufrieden schnarcht er leise vor sich hin. Wie so oft hat ihn das Wandern, die gleichmäßige Bewegung eingeschläfert. Vom spektakulären Ausblick bekommt er nicht viel mit.

Auch nicht von den steilen Leitern, die nun vor uns liegen. Angebracht, um eine massive Felskante zu überwinden. Das Ganze auf knapp 2.000 Meter Seehöhe, kurz vor dem Ziel, der Reichensteiner Hütte. Ich hatte mich eigentlich gut vorbereitet, die Route genau geplant, mir Beschreibungen durchgelesen und mit der Hüttenwirtin telefoniert. Doch kurz vor dem Start hat mich ein Einheimischer verunsichert. „Ganz aufe wüst mitm Klanen?“, fragt er mich mit ernster Miene im Bus zum Ausgangspunkt. „Do mochst an foischn Schritt und liegst 300 Meter unten!“ Eilig google ich also noch einmal Fotos und Beschreibungen der „Stiagn“. Aufpassen ja, aber auch machbar ist der Tenor im Internet.

Wir starten also die Tour, auf die ich mich schon lange gefreut habe. Mehr als 900 Höhenmeter Aufstieg liegen vor mir und mit dem Eisenerzer Reichenstein ein traumhaft schöner Berg, auf dem ich mit Tobias heute übernachten will. Nach dreieinhalb Stunden Anfahrt aus Wien geht es endlich los! Der Kleine hat die Zugfahrt im Kinderabteil verbracht und sich schon ordentlich verausgabt. In der Kraxe schläft er sofort ein.

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Mobiler Schlafplatz

Überhaupt habe ich großes Glück, ein richtiges „Kraxen-Kind“ zu haben. Manchmal sitzt Tobias vier Stunden drinnen, ohne sich zu beschweren. Er schläft, wird munter, guckt ein bisschen, freut sich, weil er etwas entdeckt hat und weil der Papa immer in der Nähe ist. Dann schläft er wieder ein, aber gejammert wird selten. Ich habe kein Geheimrezept für das Kraxen-Wandern, aber klein anfangen, langsam steigern und häufig gehen ist sicher gut. Begonnen haben wir mit zehn Monaten nur ein paar Schritte durchs Wohnzimmer. Dann war er einmal mit im Supermarkt oder beim Gassi gehen mit unserem Hund. Vor allem ist es aber Glück, dass ihm die Kraxe so gut gefällt.

Inzwischen gibt es auf dem Reichenstein immer mehr zu sehen. Je höher wir steigen, umso spektakulärer wird der Blick auf den Gipfel und die steil abfallende Nordwand. Es ist Ende Mai, die verbliebenen Schneefelder sorgen für extra Postkarten-Idylle. Bis dann gegenüber im Norden der halb abgetragene Erzberg auftaucht. Und mit seinem Eisen-Tagbau einen ziemlichen Schandfleck darstellt.


Voll bepackt

Mit der Zeit wird die Wanderung ganz schön anstrengend. Tobias wiegt etwa zehn Kilo, die Kraxe selbst hat dreieinhalb, dazu kommen drei Liter Wasser, Windeln, Gewand und Essen für den Kleinen, sowie Minimalausstattung für mich. Im 20-Liter-Stauraum meiner Kraxe geht sich das gerade noch aus. Alle Seitenfächer sind voll mit Fläschchen, Sonnencreme und Spielsachen. Unterm Strich schleppe ich rund 20 Kilo den Berg hoch.

Da gilt es gut zu balancieren und die Schritte genau zu setzen. Zum Stabilisieren verwende ich auch beim Aufstieg Stöcke. Ein Muskelkater lässt sich trotzdem kaum vermeiden. Besser: wenn möglich zu zweit wandern, so kann man einen Teil des Gepäcks abgeben. Und ist natürlich sicherer, falls etwas passiert.

Dieses Mal hatten meine Partnerin und Freunde aber keine Zeit. Also steuere ich nach etwa zwei Stunden Wanderung allein und mit etwas Herzklopfen auf die „Stiagn“ zu. Von weitem sieht sie heftig aus, aber als ich näher komme wird klar: Die Leitern sind nicht senkrecht, sondern neigen sich deutlich zum Berg hin. Außerdem sind links und rechts Felsen, kein Abgrund. Ich steige also konzentriert, aber ohne Schwierigkeiten hoch.

Bald darauf erreichen wir den 2.165 m hohen Gipfel mit fantastischem Rundumblick auf Gesäuse, Hochschwab und die Niederen Tauern. Allerdings bläst auch ein kalter Wind. Tobias wacht auf und beschwert sich. Wir steigen rasch den kurzen Weg zur Reichensteinhütte ab und werden dort von Wirtin Jenny herzlich empfangen. Sie entschuldigt sich gleich für die Unordnung, ein Hubschrauber hat heute in 39 Transportflügen Material für die ganze Saison gebracht.

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Eine Hütte als Spielplatz

Tobias liebt das Chaos. Er klettert auf Küchenrollen, erkundet Bierkisten und freut sich über herumliegende Ketchup-Flaschen. Nach über drei Stunden in der Kraxe kann er sich voll austoben. Schnell wird er zum Hütten-Star, Personal und Gäste unterhalten ihn gut, es gibt sogar einen Kinder-Sessel. Wir essen Kaßpressknödel-Suppe und Lasagne und sind mehr als zufrieden.

Jenny bringt uns in den 1. Stock der Hütte. Schlafen im Lager kommt mit Kleinkind nicht in Frage, für Tobias wäre es zu laut. Also habe ich ein Doppelzimmer reserviert. Hier gibt es sogar ein Kinderbett. Nach ausgiebigem Spielen am Zimmerboden, Abendbrei und Katzenwäsche fallen uns beiden die Augen zu. In der Nacht wacht Tobias einmal auf, lässt sich aber rasch wieder hinlegen, für ihn eine ganz normale Nacht und das auf knapp 2.100 Höhenmetern.

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Am nächsten Morgen starten wir früh mit dem Abstieg, wir wollen über die Krumpenalm nach Hafning, das sind fast 15 Kilometer Strecke und mehr als 1.500 Höhenmeter bergab. Außerdem müssen wir einen kleinen Umweg gehen, ein steiles Schneefeld verdeckt die kürzeste Route. Mit Tobias an Board gehe ich besser kein Risiko ein. Mein Rücken schmerzt etwas, als ich die Kraxe zum ersten Mal anlege.


Kleinkind-Effekt

Doch schon bald überwiegt die Freude über die faszinierende Landschaft. Heutiges Highlight ist der türkisblaue Krumpensee am Fuß von 500 Meter hohen Felswänden, ein traumhafter Anblick.

Wir kommen gut voran, aber ich werde langsam müde. Bei der Hirnalm machen wir eine ausgiebige Pause und lernen ein paar einheimische Wanderer kennen. Sie hören von unserer langen Tour und bieten an, uns die letzten fünf Kilometer bis zur Bushaltestelle mitzunehmen.

Wir kürzen die Route also ordentlich ab, haben damit sogar noch Zeit für einen Kaffee, bis der Bus kommt und um Bilanz zu ziehen: Ein bisschen verrückt ist es wohl schon, das alles mit Kleinkind durchzuziehen. Anstrengend auch, aber trotzdem genial, dass es möglich ist.


Checkliste

Für Tobias:

  • Frühstücks- und Abendbrei (Pulver)

  • Mittagsbrei (Glas)

  • Banane

  • Baby-Snacks

  • Quetschi

  • Wasserflasche

  • Milchflasche

  • Milchpulver

  • Thermoskanne mit heißem Wasser

  • Lätzchen

  • Kinderlöffel

  • Windeln

  • Müllsack für Windeln (und alles andere)

  • Feuchttücher

  • Wundsalbe

  • Stoffwindel

  • Schuhe

  • Socken

  • Halstuch

  • Haube

  • Pyjama

  • Schlafsack

  • Body zum Wechseln

  • Weste

  • Jacke

  • Sonnencreme

  • Zahnbürste

  • Zahnpasta

  • Babyseife

  • Mikrofaser-Handtuch

  • Rassel

  • Bilderbuch

  • Spielsachen

Für mich:

  • Wasser

  • dünne Jacke

  • Kleidung zum Wechseln

  • Hüttenpatschen

  • Schlüssel

  • Maske

  • Geldbörse

  • Stöcke

  • Handy

  • Powerbank

Zum Autor

Julian Paschinger ist Zeit-im-Bild-Redakteur beim ORF und nutzt seine Karenzzeit, um mit Sohn Tobias die Berge zu erkunden.


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